7071159-1993_01_13.jpg
Digital In Arbeit

Theater wird zum Fest

19451960198020002020

Ariane Mnouchkine, Leiterin und Regisseurin des Theatre du Soleil gastiert im Rah men eines Sonder-projekts der Wiener Festwochen von 13. bis 23. Janner 1993 im Wiener Messepalast mit ihrer Atriden-Tetralogie „Les Atrides”.

19451960198020002020

Ariane Mnouchkine, Leiterin und Regisseurin des Theatre du Soleil gastiert im Rah men eines Sonder-projekts der Wiener Festwochen von 13. bis 23. Janner 1993 im Wiener Messepalast mit ihrer Atriden-Tetralogie „Les Atrides”.

Werbung
Werbung
Werbung

Nach Tourneen und Gastspielen in Frankreich, Italien, Deutschland, GroBbritannien, Polen, Israel und den USA kommen Ariane Mnouchkine und ihre 1964 gegriindete Theater-gruppe mit Euripides „Iphigenie in Aulis” und Aischylos „Orestie” („Agamemnon”, ;)Die Choephoren”, ,,Die Eumeniden”) erstmals nach Osterreich.

MaBgebend fiir ihre Theaterarbeit ist die Commedia dell' arte, das italie-nische Improvisationstheater des 16./ 18. Jahrhunderts. Fiir diese Volks-theaterform kennzeichnend waren das Spiel mit Masken und Typen, die Improvisation und die virtuose Korper-beherrschung.

Aber auch Elemente des Zirkus und des friihen franzosischen Volksthea-ters sowie fernbstliches Theater, wie Kabuki, No und Kathakali pragen Mnouchkines theatralisches Schaffen. Besonders wichtig fiir das Theatre du Soleil in der Pariser Cartoucherie, einer alten Munitionsfabrik im Wald von Vincennes, ist das Konzept einer gemeinsamen Auffuhrungs- • • erstellung. w

Ariane Mnouchkine, 1939 alsTochter eines russischen Emigran-ten in Paris geboren, griindete bereits 1959 gemeinsam mit eini-gen Freunden eine Studententheater-gruppe an der Sorbonne, die A.T.E.P. (Association Theatrale des Etudiants de Paris).

Ihre erste Inszenierung 1960, „Gengis Khan” von Henri Bauchau -ein Stuck iiber das Leben des mongo-lischen Eroberers - bewies bereits, daB die Theatergruppe mehr Fahig-keiten besaB als ubliche Amateurgrup-pen.

Fiinf Jahre sparer griindeten sie und die Truppe im Jahr 1964 ein Arbeits-kollektiv, das Theatre du Soleil. „Sonne” symbolisiert Lebensfreude und die Absicht, Sachverhalte zu er-hellen. „Theater bedeutet fiir mich Klarheit. Das Theater sollte die menschliche Gesellschaft in alien ihren Facetten beleuchten”, erklarte sie wahrend der Arbeiten zu „Les Clowns” im Juli 1969. In der aus Ein-zelimprovisationen konstruierten Clownrevue wurde die von der Truppe 1968 erarbeitete Theorie der „crea-tion collective” erstmals umgesetzt.

Diese Theaterform stiitzt sich nicht auf Autoren und Regisseure, sondern bezieht den improvisierenden Schau-spieler in den SchaffensprozeB ein. Auch das Publikum riickt in verstark-tem MaBe in den Mittelpunkt, als direkt einbezogener Mitspieler.

Das franzosische Revolutionsstiick ,,1789” - erste Auffiihrung in der Cartoucherie 1970 und filmisch 1974 verewigt - versetzt den Zuschauer in die Atmosphare eines Jahrmarktsthea-ters. Erzahlt wird die Geschichte der Franzosischen Revolution aus der Per-spektive des Volkes, von den Schau-spielern einer Jahrmarktstheatergrup-pe. Fiinf Spielpodeste durchbrechen die klassische Trennung von Biihne und Zuschauerraum. Das Publikum bewegt sich frei und folgt im wahr-sten Sinn des Wortes der Auffiihrung. Der Zuschauer wird zum Mitspieler, das Theater wird zum Fest.

Die insgesamt vier Produktionen der Phase der „creation collective” sind neben „Les Clowns” und ,,1789”, die Fortsetzung des Revolutionsstiik-kes„1793” sowie „L' Age d'Or”. „Das goldene Zeitalter” stellt die soziale Wirklichkeit Frankreichs von 1975 dar. Rassismus gegen Gastarbeiter, die Auseinandersetzung mit der staat-lichen Macht und die Frauenfrage stehen im Mittelpunkt.

Mit ihrer ersten Filmarbeit „Molie-re” 1976 kehrte Mnouchkine und ihre Truppe zur Arbeit mit vorgegebenem Textzuriick. DerFilm,zudemsiedas Drehbuch schrieb, zeigt vor allem den

Theatermann Moliere und seine Anwendung der friihen Volkstheater-traditionen. Die Inszenierung nach Klaus Manns Roman „Mephisto. Le Roman d' une carriere” („Mephisto, Roman einer Karriere”) 1978/80 war die erste Theaterproduktion der neu-en Phase. Trotzdem blieben die besonders theatralischen Ausdrucksfor-men des Theatre du Soleil erhalten.

1981 startete Ariane Mnouchkine mit ihrer Truppe ihren Shakespeare-Zyklus mit „Richard II.”. 1982 folgt „La Nuit des Rois” („Zw61fte Nacht oder Was ihr wollt”), 1984 „Heinrich IV., Erster Teil”. In alien drei Insze-nierungen stammten neben der Regie auch die Ubersetzungen von Ariane Mnouchkine. AuBerdem war diese Produktion stark von fernostlichen Theaterformen gepragt.

1990 begann Mnouchkine mit„Les Atrides”, dem Mythos des Atridenge-schlechts in der Interpretation von Aischylos und Euripides.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung