Mich würde interessieren, wie das in anderen Familien ist. Bei uns tobt, wie vermutlich überall, von Zeit zu Zeit der Sturm des Generationskonflikts. Die (Wort-)Fetzen fliegen, die Eier sind siebenmal gescheiter als die reaktionäre, verständnislose Henne und jeder Analytiker hätte seine helle Freude an den Paradebeispielen zum Vater/Sohn-Konflikt. Doch jedes Jahr während der
Weihnachtsvorbereitungen ändern sich schlagartig die Fronten!
Dem elterlichen Wunsch, die Feiertage eventuell woanders zu verbringen, begegnet die Brut mit „nicht einmal ignorieren“ und der sanfte Vorschlag, vielleicht unter uns Alten auf den Christbaum zu verzichten und dem Wald nur einen Ast zu rauben, entfacht einen Proteststurm, als propagierten wir den bethlehemitischen Kindermord.
Ich weiß genau, daß beim Baumschmücken am Heiligen Abend mein Mann wieder resignierend den seit zwei Jahrzehnten immer ärger lädierten Rauschgoldengel auf die Spitze setzen wird. Eine vor Jahren versuchte Glasspitze mit Silber-glöckchen hatte noch am selben Abend demontiert zu werden und in der Schachtel zu verschwinden. Mit Argusaugen überprüfen sie bis ins letzte Ästchen das Vorhandensein des gar nicht modischen Behanges. Die Idee, den Baum einmal in einheitlichem Stil zu gestalten, quittierten sie mit der Frage, ob wir denn überhaupt kein Traditionsbewußtsein mehr hätten...
Meinen Versuch, mir das Stollenbacken zu ersparen, wenn ohnehin alle mit Figurproblemen zu kämpfen haben, empfinden sie als grobe Verletzung der Sorgepflicht.
Die Vanillekipferl haben klein und rundlich zu sein, nicht so ausgemergelt dünn wie bei Tante Erna und den Honigherzen stünde ausschließlich die Herzchenform an, wieso hießen sie denn sonst so...
Das seltsame an diesen Traditionsausbrüchen ist nur, daß sie Schlag Stille Nachtgesang (mit Verwechslung im Text der zweiten und dritten Strophe) und Bescherung wie ein Spuk wieder für ein Jahr vorbei sind.
