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Was alle über Altösterreich wissen sollten

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In seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften" spricht Robert Musil von der Österreichisch-Ungarischen Monarchie als einem „unverstandenen Staat". Solches Unverständnis bekunden heute noch viele, die dieses Staatsgebilde in irgendeinem Zusammenhang erwähnen.

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In seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften" spricht Robert Musil von der Österreichisch-Ungarischen Monarchie als einem „unverstandenen Staat". Solches Unverständnis bekunden heute noch viele, die dieses Staatsgebilde in irgendeinem Zusammenhang erwähnen.

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Da wird zum Beispiel von derk.u.k. Monarchie geschrieben, ohne zu überlegen, wo und wann die Bezeichnung kaiserlich und königlich zu verwenden ist. Schon Musil meinte: „Es bedurfte einer Geheimwissenschaft, um immer sicher unterscheiden zu können, welche Einrichtungen und Menschen k.k. und welche k.u.k. zu rufen waren." Diese Unterscheidung ist sogar zur Zeit der alten Donaumonarchie oft schwergefallen. Da lesen wir etwa in dem 1902 von Paul Gustav Rheinhardt redigierten Lexikon „Biographien der Wiener Künstler und Schriftsteller" auf Seite 304 bei dem Volkskundler Michael Haberlandt, er sei k.u.k. Musealkustos am k.k. naturhistorischen Hofmuseum gewesen, oder auf Seite 541 bei Julius Egghard: k.u.k. Hofmusiker, Mitglied des k.k. Hofopernorchesters, Josef von Bezecny konnte nicht k.u.k. Generalintendant der k.k. Hoftheater sein (Seite 533). Derartige Doppelbezeichnungen für ein Institut und einen Funktionär des gleichen Instituts sind mehrrrfals zu finden. Natürlich kann nur eine davon richtig sein.

Wie kam und kommt es zu diesen ständigen Verwechslungen? Dazu ist festzustellen: Vor dem Jahr 1867 gibt es überhaupt nur ein k.k., kein k.u.k. Der markante geschichtliche Einschnitt ist durch den sogenannten „Ausgleich" zwischen Österreich und Ungarn vom Jahre 1867 gegeben,

durch den die Doppelmonarchie verfassungsmäßig verankert wurde: Die beiden Länder bilden nach innen selbständige konstitutionelle Staaten, nach außen aber stellen sie eine Einheit dar, was in der Gemeinsamkeit der Wehrmacht und der diplomatischen Vertretung zum Ausdruck kommt. Daher sind die Institutionen und Angehörigen des Heeres, der Kriegsmarine und des Außenamtes k.u.k., die übrigen Behörden und Ämter mit ihren Amtsträgern k.k. Neben dem k.k. Finanzministerium gab es noch das Reichsfinanzministerium, das als Dachorganisation für einzelne finanzielle Aufgabenbereiche in der gemeinsamen Außendiplomatie fungierte. Auf spezielle Differenzierungen, etwa im Hofstaat des gemeinsamen Monarchen Franz Jo seph, soll hier aber nicht eingegangen werden.

Die Doppelmonarchie umfaßte zwei Reichshälften: die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder der österreichischen Krone (Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol mit Vorarlberg, Kärnten, Krain, Görz-Gradiska, Istrien,

Dalmatien, Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und Bukowina) und die Länder der ungarischen Krone (Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien). Infolgedessen gab es (seit 1867) das k.u.k. Kriegsministerium und bei den militärischen Verbänden die diversen militärischen Dienstgrade, also einen k.u.k. Korporal, Zugsführer, Feldwebel, Fähnrich, Leutnant, Oberleutnant, Hauptmann, Major, Oberstleutnant, Oberst und so weiter bis zu den Generalrängen, bei den

Seestreitkräften die verschiedenen k.u.k. Dienstbezeichnungen vom Matrosen bis zum Admiral. Ausgenommen war die Landwehr, die k.k. war und die ungarische Honv6d, die nur k., also königlich war.

Bei den Beamten gibt es wohl den k.u.k. Außenminister, dagegen die k.k. Minister für Inneres, Kultus und Unterricht, Justiz, Finanzen, Handel, Eisenbahnen, Ackerbau, Landesverteidigung. Die in diesen Bereichen tätigen Personen sind k.k. Beamte mit ihren entsprechenden Amtstiteln, also etwa k.k. Sektionschef, Ministerialrat, Statthaltereirat, Bezirkshauptmann, Regierungsrat, Rechnungsrat, Schulrat, Professor und so weiter. Beispiele für künstlerische Institutionen: k.k. Hof-Burgtheater, k.k. Hofoperntheater; auch die dort tätigen Schauspieler und Sänger waren k.k. Dasselbe gilt von wissenschaftlichen Bereichen (k.k. Hofbibliothek, jetzige Nationalbibliothek, k.k. Hofmuseum mit ihren Bibliothekaren, Kustoden und Konservatoren).

Nun aber Beispiele für immer wiederkehrende Verwechslungen: Da ist Ernst Trosts 1966 erstmals erschienenes Buch „Das blieb vom Doppeladler. Auf den Spuren der versunkenen Doppelmonarchie" zu nennen. Ein Verfasser, der sich ein derartiges Thema wählt, müßte eigentlich wissen, daß es damals keine k.u.k. Finanzämter gab. Erstens hießen diese damals „Steueradministrationen" und zweitens war ihre Bezeichnung k.k., weil sie mit militärischen Belangen nichts zu tun hatten. Noch an mehreren Stellen dieses Buches wird fälschlich von k.u.k. Beamten in den verschiedenen Kronländern gesprochen; natürlich gab es auch keinen k.u.k. Hofrat „tschechischer Zunge" in Prag.

Auch der Dichter FranzNabl(1883-1974), also selbst noch ein Kind der Donaumonarchie, irrt, wenn er in sei-nemBuch „Dererloschene Stern. Eine

Kindheit und Jugend um die Jahrhundertwende" (1962) von seinem 1866 verstorbenen Großvater als einem k.u.k. Beamten bei der Bezirkshauptmannschaft Jungbunzlau erzählt.

Je mehr wir uns der Gegenwart nähern, desto unsicherer werden die Schriftsteller. Peter Rosei schreibt im Anhang des von ihm herausgegebenen Buches „Adalbert Stifter. Kalkstein. Der Kuß von Sentze" (1974)von

der „Wirklichkeit des k.u.k. Schulwesens, das es weder zur Zeit Stifters noch nachher gegeben hat. Wenn das selbst Österreicher nicht wissen, so darf man es dem Bayern Franz Baumer nicht nachtragen, wenn er in seinen Büchern und Fernsehfilmen über Stifter diesen als k.u.k. Schulrat beziehungsweise als k.u.k. Hofrat bezeichnet. Die tschechische Dichterin Bozena Nemcovä (1820-1862) konnte nur die Gattin eines k.k., nicht k,u.k. Zollbeamten gewesen sein, wie es fälschlich in Knaurs Lexikon der Weltliteratur (2. Aufl. 1986) zu lesen ist.

Caroline Markolin berichtet in ihrer Studie „Die Großväter sind die Lehrer, Johannes Freumbichler und sein Enkel Thomas Bernhard" (1988) von Freumbichlers Dichterfreund Rudolf Kasparek, dieser habe vorübergehend im Laboratorium der k.u.k. Staatsbahn gearbeitet. In Arthur Schnitzlers Theaterstück „Professor Bernhardi" meldet sich in der Fernsehbearbeitung dieses Schauspiels ein Beamter am Telefon mit den Worten: „Hier ist das k.u.k. Ministerium für Kultur und Unterricht". In dem in Ostberlin 1988 erschienenen Buch „Österreichische Literatur

des 20. Jahrhunderts" liest man bei Georg Trakl, er habe das k.u.k. Staatsgymnasium in Salzburg besucht. Der Verfasser dieses Artikels, Läjos Nemedi, hätte als ein noch in der Donaumonarchie geborener Ungar und als emeritierter Professor der Universität Debrecen eigentlich wissen müssen, daß es in den Ländern der österreichischen Krone nur ein k.k. Staatsgymnasium geben konnte. Herbert Klausner schreibt in seiner Publikation „Ein Poet aus Österreich. Ferdinand von Saar - Leben und Werk" (1990), S aar sei Angehöriger der k.u.k. Armee gewesen, die es ja vor dem Ausgleich mit Ungarn (1867) gar nicht gegeben hat. Der Verfasser hätte dies etlichen Dokumenten entnehmen müssen, aus denen hervorgeht, daß der Dichter 1860 als k.k. Unterleutnant 2. Klasse seinen Dienst freiwillig quittierte.

Tageszeitungen sind hier um nichts besser. So liest man etwa in der „Kronenzeitung" anläßlich des Jubiläums von Franz Antel am 25. Juni 1988, er sei als Sohn eines k.u.k. Postbeamten geboren. In der Wiener „Presse" kann man am 8. März 1990 im Zusammenhang mit einem Besuch von Außenminister Mock in Prag unter anderem erfahren: „Der Prager Bürgermeister Jaroslav Koran hat Österreich das Gebäude der ehemaligen k.u.k. Statt-halterei auf der Kleinseite als Unterkunft für Botschafts- und Kulturinstitut angeboten."

Aus allen diesen Beispielen ist ersichtlich, daß k.u.k. unbedenklich auch dort verwendet wird, wo nur k.k. am Platze wäre. Ist denn ein „und" mehr oder weniger so wichtig? Immerhin geht es hier um geschichtliche Fakten. Eine diesbezügliche Entstellung stört genau so wie die Verwechslung von Zahlen in der Mathematik oder die falsche Schreibung von Wörtern in der Orthographie. Unrichtiges aufzuzeigen, ist immer gerechtfertigt.

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