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Vorbild Kriegsardiiv

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Am 14. November 1868 verfügte Kaiser Franz Joseph I., daß das bisherige Kaisertum Österreich die Bezeichnung „Österreichisch-Ungarische Monarchie“ anzunehmen habe. Vor 100 Jahren ist somit Österreich-Ungarn entstanden, und vor 50 Jahren wurde es in der Staatenliste gelöscht.

Die zahlreichen in der jüngsten Vergangenheit veranstalteten Feiern zur Erinnerung an denkwürdige Leistungen in Staat und Gesellschaft vor 50, 70, 75 und mehr Jahren beweisen, daß- die dualistische Ära trotz mancher ihr anhaftender Mängel durchaus fruchtbar war, daß besonders auf kulturellem Gebiet bedeutsame Fortschritte durch Gründung von Akademien der Wissenschaften, von Hochschulen und von Zentren für Künste, Wirtschaft und Technik erzielt worden sind.

Auch die Militärgeschichtsschreibung erlebte in diesem Halbjahrhundert ein goldenes Zeitalter, gefördert durch ihre Heimstätte, das Wiener Kriegsarchiv. Dieses Archiv, in seiner ersten Form auf Antrag des Prinzen Eugen 1711 von Kaiser Josef I. errichtet, nahm im Laufe der Zeiten einen derartigen Aufschwung, daß Oswald Redlich 1906 das „k. u. k. Kriegsarchiv als das bestorganisierte und an wissenschaftlicher Leistung hervorragendste unter den öffentlichen Archiven Wiens“ bezeichnen konnte. 1961 hätte das ehrwürdige wissenschaftliche Institut seinen 250. Gründungstag begehen können. Die der österreichischungarischen Monarchie gehörenden fünf Jahrzehnte sind wohl nur ein kleiner Ausschnitt aus der Archivgeschichte, sie verdienen jedoch angesichts des hinterlassenen Erbes eine besondere Hervorhebung.

Amtlicher Charakter

Die Militärgeschichtsschreibung hatte in der Monarchie amtlichen Charakter, sie war vom Generalstab geleitet und an bestimmte Richt linien gebunden. Neben der bloßen Ereignisdarstellung war sie berufen, im Bereiche der Kriegsführung lehrhaften Zwecken zu dienen, innen- und außenpolitische Gesichtspunkte zu berücksichtigen und in mancher Beziehung die militärische Geheimhaltung zu beachten. Bei aller selbstverständlichen Objektivität war die Vertretung eines klaren eigenstaatlichen Standpunktes unerläßlich, um bei Vorliegen abweichender ausländischer oder privater Darstellungen der wünschenswerten Wahrheitsfindung entgegenzukommen.

Im Jahre 1893 ergab sich eine merkwürdige Parallele zur eben gegründeten „Reichspost“, von der Dr. Friedrich Funder berichtet; ihr Programm wäre das Eintreten für den Gesamtstaat, für den Bestand einer einheitlichen Monarchie, ferner „die Bejahung des Staatsgedankens des Habsburgerreiches gegen alle Separatisten und nationalistischen Eigenbrötler“, schließlich die Verteidigung des Einheitsstaates gegenüber dem Dualismus gewesen. Nun war es zur selben Zeit die Hauptmission der k. u. k. Armee als des wichtigsten Instrumentes des Staates, alle vom Dualismus her drohenden trennenden Tendenzen abwehrend über der unbedingten Einheitlichkeit der Wehrmacht zu wachen, und, wie der Chef des Generalstabes Friedrich von Beck in der Dienstvorschrift für das Kriegsarchiv betonte, ihre Geschichte „vom Standpunkte und der Rechtsäuffas- sung des k. u. k. (das heißt, des gemeinsamen) Soldaten aus zu schreiben“.

Eine ganze Bibliothek

Dem Kriegsarchiv sind in Summe gegen 700 Bände militärhistorischer Richtung zu verdanken; außer diesen Werken erschienen die von Sacken ins Leben gerufenen „Mitteilungen des Kriegsarchivs“ von 1876 bis 1914 in 32 Bänden.

Auf die Jahre von 1868 bis 1918 entfallen die berühmtesten Publikationsreihen, die den Ruf des Archivs in alle Welt trugen. An der Spitze stehen die in das Italienische übersetzten „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen“ mit 22 Bänden, fertiggestellt von 1876 bis 1892 unter Sacken und Wetzer, bemerkenswert auch deshalb, weil kein anderes Archiv eine so weit zurückliegende Epoche (1697 bis 1736) in derartiger Vollständigkeit erforscht hat. Von 1896 bis 1913 folgten der „österreichische Erbfolgekrieg 1740 bis 1748“ in neun Bänden und die „Kriege unter der Regierung des Kaisers Franz“ in 32 Bänden, die Jahre von 1792 bis 1815 umfassend. Die Feldzüge von 1859, 1864, 1866, 1878, 1881/82 sowie die Kriege von 1870/71 in Frankreich und 1877/78 in der Türkei fanden desgleichen eingehende Bearbeitung. Noch mitten im Waffenlärm trat das Archiv mit kleineren Darstellungen von Ereignissen des Weltkrieges 1914/18 vor die Öffentlichkeit, hauptsächlich truppengeschichtlicher und personeller Natur. Das bis 1920 selbstständige Marinezentralarchiv widmete sich der Seekriegsgeschichte von 1500 bis 1802, dann von 1848/49 und 1866.

Mit dieser stolzen Ernte sind die Namen erfolgreicher Militärhisto riker verbunden, unter denen die Archividrektoren Adolf Freiherr von Sacken und Leander von Wetzer hervorstechen, beide mit dem Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft und durch die Mitgliedschaft der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. J. v. Benko, W. v. Janko, J. v. Lehnert, K. v. Rottauscher und A. Veltzé wurden durch Verleihung der Medaille für Kunst und Wissenschaft, Veltzé und Emil Freiherr von Woi- novich durch Straßenbenennungen in Wien geehrt.

Die Literaten

Von den übrigen wissenschaftlichen Mitgliedern des Archivs wären zu nennen: M. v. Angeli, O. v. Criste, K. v. Duncker, E. v. Glai'se, H. Kerchnawe, A. Kirchhammer, J. Nosinich, J. Paldus, Y. v. Rechber- ger und A. Freiherr v. Wrede. R. H. Bartsch, A. Freiherr von Czibulka, Fr. K. Ginzkey, R. Michel und E. Rieger gehören gleichzeitig zu den vielgelesenen Schriftstellern ihrer Zeit.

Der letzte k. u. k. Archivdirektor, Feldmarschalleutnant M. v. Hoen, beschäftigte als Kommandant des Kriegspressequartiers mehrere bekannte Literaten im Kriegsarchiv, unter anderem Csokor, Forst-Batta- glia, Kreuz, Müller-Guttenbrunn, Polgár, Rilke, Salten, Sil Vara, Strobl und Zweig, deren Bemühen dahin ging, Leben und Haltung der so harten Pflichten und bitteren Leiden ausgesetzten Frontsoldaten in volkstümlichen Skizzen der Bevölkerung zu vermitteln.

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