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WENN DIE KAFFEEMASCHINE EXPLODIERT...

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Der Konsument hat Anspruch auf Gewährleistung und auf Produkthaftung. Wo liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Rechtsansprüchen, die entstehen, wenn ein fehlerhaftes Produkt geliefert wird?

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Der Konsument hat Anspruch auf Gewährleistung und auf Produkthaftung. Wo liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Rechtsansprüchen, die entstehen, wenn ein fehlerhaftes Produkt geliefert wird?

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Wird einem Gast in einem Restaurant eine verdorbene, mit Salmonellen verseuchte Speise vorgesetzt, so kann er im Rahmen der Gewährleistung kostenlos eine neue, nicht verdorbene Portion begehren. Im Zuge der Produktflaftung bekommt er die Kosten des Spitalaufenthaltes und Schmerzensgeld für die durch Lebensmittelvergiftung verursachte Erkrankung ausbezahlt.

Die Gewährleistungsansprüche und Garantievereinbarungen sind in Österreich seit dem Jahre 1811 gesetzlich geregelt. Sie sind daher verhältnismäßig gut bekannt. Das Produkthaftungsgesetz ist erst wenige Jahre alt, und Konsumenten verzichten manchmal aus Unkenntnis auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.

Der Anspruch auf Produkthaftung besteht in Österreich nunmehr verschuldensunabhängig. Der Hersteller haftet für Schäden, die durch Produktfehler entstehen, und zwar nicht nur für die Fehler am Produkt selbst -das wäre Gewährleistung -, sondern auch für die Folgeschäden. Voraussetzung für den Anspruch des Konsumenten ist lediglich das Vorhandensein eines fehlerhaften Produktes und eines dadurch hervorgerufenen Schadens.

Fehlerhafte Produkte gibt es viele, eine Cola-Flasche, die explodiert, ein verharmlosend angepriesenes Reinigungsmittel, das Verätzungen verursacht, eine einen Brand verursachende Kaffeemaschine, ein bei hoher Geschwindigkeit platzender Autoreifen. Voraussetzung für Schadenersatzansprüche ist dabei nicht, daß ein Gegenstand an sich Schaden verursacht, sondern daß der Schaden auf einen Produktfehler zurückzuführen ist. Ein Fleischmesser ist naturgemäß zum Schneiden da. Nur wenn man sich am Griff des Messers verletzen kann, entsteht ein Produkthaftungsanspruch.

Selbst unbeteiligte Dritte haben diesen Anspruch. Nehmen wir an, ein fehlerhaft konstruierter Rasenmäher schleudert einen Stein mit der Wucht eines Geschosses auf den Gehsteig . und der Stein trifft dort einen zufällig vorübergehenden Passanten. Auch dieser hat für seine Verletzung Schadenersatzanspruch und zwar nicht gegen den Benutzer des Rasenmähers, nicht gegen den Händler, der den Rasenmäher verkauft hat, sondern gegen den Hersteller des Rasenmähers. Ist dieser Hersteller im Ausland, so trifft der Schadenersatzanspruch den Importeur. Ist der Händler nicht bereit, den Hersteller öder Importeur zu nennen, so trifft der Schadenersatzanspruch den Händler.

Eine empfindliche Einschränkung des Haftungsanspruches gibt es allerdings dadurch, daß für Sachschäden -nicht bei Körperschäden - Schäden bis zum Ausmaß von 5.000 Schilling nicht ersetzt werden. Verursacht eine fehlerhafte Batterie in einem Spielzeugauto durch ihre Explosion Schäden an Teppich und Möbeln im Ausmaß von 5.200 Schilling, so beträgt der Betrag, der aufgrund der Produkthaftung eingeklagt werden kann, nur 200 Schilling.

Es gibt wenig Gerichtsurteile zum Produkthaftungsgesetz. Wendet sich jemand, der einen Schaden erlitten hat, an ihn beratende Fachleute, zum Beispiel im Verein für Konsumenteninformation oder in der Arbeiterkammer seines Bundeslandes, so wird er aufgeklärt, ob er mit der Geltendmachung seines Schadens Chancen hat. Ist dies der Fall, so wird er in der Regel den Schaden ohne Schwierigkeiten von der Firma großzügig ersetzt bekommen. Die Firmen wissen, daß sie in einem solchen Fall kaum Chancen haben, einen Prozeß zu gewinnen und haben sich in der Regel auch durch Versicherung abgesichert, so daß der Schaden anstandslos ersetzt wird.

Verschuldensunabhängige Haftung gibt es in Österreich nur bei Schäden, die durch Waren entstehen. Bei Schäden, die durch mangelhafte Dienstleistungen entstehen, ist es nach wie vor notwendig, dem Verursacher des Schadens ein Verschulden nachzuweisen, und das ist für den Konsumenten nur selten möglich. Deshalb gibt es das Verlangen der Konsumenten, das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung auch auf Dienst-leistungen auszudehnen.

Über ein derartiges Gesetz wird nicht nur in Österreich nachgedacht. Auch im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft gibt es Diskussionen, die europaweit die verschuldensunabhängige Dienstleistungshaftung herbeiführen sollen. Es bedurfte allerdings zehnjähriger Verhandlungen, bis das Produkthaftungsgesetz beschlossen wurde. Wird es bis zur Beschlußfassung einer verschuldensunabhängigen Dienstleistungshaftung ebensolange dauern?

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