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Zukunftsautor Raimund?

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In dem Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“, das derzeit im Theater in der Josestadt gegeben wird, geht es Ferdinand Raimund um die Phantasie als Zentralkraft des wahren Bühnendichters im Gegensatz zum Autor hochgestochenen Bildungstheaters, in dem verständliche Elemente vorherr: sehen.

Im Wirtshausharfenisten Nachtigall, dem Kind des Volkes, und im Dichter Amphio, der durch seine Dichtung die Liebe der Königin Hermione gewinnt, vereint Raimund seine eigene Position als Dichter, stellt sie in Gegensatz zu der des Hofpoeten Distichon, eines beckmesserischen Literaten, den er lächerlich macht.

Allegorische Gestalt? Zauberschwestern? Wolkenwagen? Ein Garten verwandelt sich sekundenschnell in Sumpfgelände mit verdorrten Bäumen? Figuren versinken? Es ist seltsam: Je mehr der Hochmut über unsere so großartig technifizierte Welt im Gefolge des Schaurigen, in das sich diese Welt mehr und mehr verwandelt, zusammenbricht, desto wohltuender berühren uns die Zaubereien, die sich in diesem Spiel vor uns begeben. Schlich sich bisher ein bißchen wohlwollende Nachsicht in unsere Einstellung zu all dem gemütvoll gewordenen Nachwirken des Biedermeier, so kann es in Hinkunft sehr wohl sein, daß wir uns im Gegensatz zur bedrohlichen

Ubersteigerung des Rationalen, abgeschreckt davon, gerade von Raimunds Welt besonders gern verzaubern lassen. Raimund als Zukunftsautor? Die Aufführung regt zu solchen Gedanken an.

Imre Vincze hat nach Entwürfen von Oskar Kokoschka die Ausstattung geschaffen. Nun, Kokoschka ist kein Bühnenbildner, bleibt als Maler im Zweidimensionalen, das heißt, es gibt fast nur bemalte Hintergrundprospekte wie einst, doch ohne Kulissen. Das Skizzenhafte dieser Malerei hat ausgesprochen poetischen Reiz. Selbst zwei Sphinxe sind völlig plan, wenn diese bemalten Flächen nach vorn klappen, sitzen dahinter die Zauberschwestern.

Regisseur Heinz Marecek führt das Spiel leicht, beschwingt. Alfred Böhm ist ein behaglich polternder Nachtigall, Michaela Rosen hat das Bewegliche der Phantasie, Dietlinde Turban bleibt als Hermione etwas blaß, überrascht aber durch virtuoses Geigenspiel. Das Leidenschaftliche glaubt man Eduard Wilden als Amphio. Optisch ins drollig Skurrile gerückt sind die Zauberschwestern; Erni Mangold, sekundiert von Marianne Chappuis, agiert mit Genuß boshaft überlegen. Der eitle Distichon des Otto David vertrüge Karikatur. Hugo Lindinger ist ein breitkomischer Narr.

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