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Zwei Poeten

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Nachdem wir jahrzehntelang für den Fortschritt gearbeitet haben, ist nun der Augenblick gekommen, da wir, die Bearbeiteten, endlich eine Atempause einlegen, aber nicht um aufzuatmen, sondern um aufzuarbeiten: die Geschichte unserer Epoche. Gesamtausgaben erscheinen.

In vier Jahrzehnten hat der bekannte Literaturtheoretiker und Universitätsprofessor ' Walter Höllerer seine profunden Kenntnisse auch für die Praxis seiner Gedichte nutzbar gemacht: Vom hinterlistig blinzelnden Unsinn bis zur hieb- und stichbereiten Berichtssprache eines Abendjournals.

Unbehagliche Kritiker könnten in diesem Reichtum an Verfahrensweisen auch eine ärmliche Anbiederung an den Modetrend argwöhnen. Aber immer wieder finden sich Textpartien, die nun tatsächlich Geschichte „aufarbeiten", und zwar auf einem Niveau, das anderen Medien unerschwinglich bleibt.

Vierzig Jahre bei Heinz Piontek sehen anders aus. Denn dieser Dichter lehnt mitsamt seinem ihm angetrauten Igel jeden Wettlauf mit der Zeit ab, betrachtet vielmehr ruhig den Flurschaden, der zufolge der Temposteigerung und des Platzens von Sprechblasen angestellt worden ist: Totale Versäuerung.

Er hat sich zum Ziel gesetzt, sich aus den Wörtern herauszuarbeiten, die bis zum Hals in Wörtern stecken. Seine Dichtkunst weist daher viele Züge der Reinigungstechnologie auf, wozu ja auch die Blaise Pascalsche Devise zählt, auf seinem Zimmer zu bleiben. Denn wie ist es draußen? Piontek antwortet:

„Voller Revolutionäre — die Einbahnstraßen — niemand, der sich selber folgt — Die Richtung heiligt das Gewissen."

GEDICHTE 1942 - 1982. Von Walter Höllerer. Suhrkamp-Verlag, München 1982. 240 Seiten, Ln., öS 258,40. ~

FRÜH IM SEPTEMBER. Die Gedichte. Gedichte aus fremden Sprachen. Von Heinz Piontek. Schneekluth-Verlag, München 1982. 446 Seiten, Ln., öS 364,80.

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