7113063-1996_05_05.jpg
Digital In Arbeit

Wie Hilfe auch den Frieden bringen kann

19451960198020002020

Diese Woche schickt der Verein „Wir helfen" seinen 17. Hilfskonvoi nach Bosnien. Der von der Ex-Nationalratsabgeordneten Gabrielle Traxler gegründete Verein hilft selbstverständlich auch Serben.

19451960198020002020

Diese Woche schickt der Verein „Wir helfen" seinen 17. Hilfskonvoi nach Bosnien. Der von der Ex-Nationalratsabgeordneten Gabrielle Traxler gegründete Verein hilft selbstverständlich auch Serben.

Werbung
Werbung
Werbung

Grundsatz des von der Ex-Nationalratsabgeordneten Gabrielle Traxler vor zweieinhalb Jahren gegründeten Vereins ist die Hilfe von Mensch zu Mensch, ohne politische oder ethnische Unterschiede zu machen. Der aktuelle Konvoi wird daher in kroatisch, bosnisch-moslemischen und serbisch kontrollierten Gebieten seine Hilfsgüter abladen. Fix ist, daß das Spital des kroatischen Grenzortes Stolarz mit dringend benötigten Medikamenten und Verbandsmaterial beliefert wird, und daß das Flüchtlingslager im kroatischen beziehungsweise moslemischen Mostar angefahren wird. Die weiteren Ziele werden vor Ort bestimmt. Es wird dann vesucht, auch den serbischen Teil Bosniens anzufahren, weil auch dort unglaubliche Armut herrscht.

Die Konvois von „Wir helfen" sind zwar nicht sehr groß, dafür preschen sie in Gebiete vor, wo internationale Hilfsorganisationen nicht hinkommen und geben dort den Menschen durch den persönlichen Kontakt Hoffnung.

Die Konvois fuhren bisher ohne Zwischenfälle obwohl sie, so Traxler, „weder von Waffen noch von Fotoapparaten begleitet werden." Stattdessen vertraut Traxler auf das Gebet. Jede Arbeitssitzung von „Wir helfen" wird mit einem kleinem Gebet begonnen, an dem Mitarbeiter aller Konfessionen teilnehmen. Die friedensvermittelnde Ausrichtung von „Wir helfen" wird im Vereinslogo durch die Religionssymbole aller drei Kriegsparteien, Kreuz, Doppelkreuz sowie Stern und Halbmond, ausgedrückt. Traxler versucht, trotzt aller Widrigkeiten das Positive in den Menschen zu erkennen und sieht sich auch nicht enttäuscht: „Wir haben eine ganz andere Erfahrung gemacht, als es in den Zeitungen steht. Es gab viel Hilfe von Soldaten aller Volksgruppen. Wir haben rührende gegenseitige Hilfe bei jedem Konvoi erfahren."

Beim ersten Konvoi beispielsweise fuhr eine kroatische Dolmetscherin mit. An der serbischen Front traf sie dann einen serbischen Soldaten, der bei ihr vor dem Krieg Schüler war. Von ihm hat sie dann ein Paket für kroatische Flüchtlinge erhalten. Ein andermal konnte bei einem bosnischen Dorf, das tagtäglich beschossen wurde, ein temporärer Waffenstillstand vermittelt werden. Während der Hilfslieferung, von denen ein Teil auch an Serben abgegeben wurde, stellten die serbischen Belagerer das Bombardement ein. Zwei Tage später war es mit dem Frieden allerdings wieder vorbei. Traxler resümiert: „Ich sehe, daß Hilfe wieder Frieden bringt."

Nach dem Rückzug aus der hohen Politik, Gabrielle Traxler war Nationalratsabgeordnete und Familiensprecherin der SPO, hat sie im Herbst vergangenen Jahres den Verein „Zukunft Familie" gegründet. Auch dort wird Zusammenarbeit und Überparteilichkeit in den Statuten festgeschrieben. Im siebenten Bezirk in Wien wurde ein kleines, aber feines Beratungszentrum eingerichtet, das auch als Anlaufstelle für „Wir helfen" dient. Traxler huldigt einem ganzheitlichen Ansatz und möchte „freiwillige Arbeit wieder modern machen." Das mag zwar nicht so „umsatzträchtig" wie die professionalisierte und spezialisierte Arbeit größerer Hilfsorganisationen sein, führt aber dazu, daß Menschen für die Not anderer sensibilisiert werden. Durch die Verzahnung beider Vereine ergibt sich, daß aus Hilfsempfängern auch Hilfegeber werden, aber auch umgekehrt.

Beispielsweise kam einmal ein Vater mit seiner geistig behinderten Tochter ins Büro, um sich einerseits beraten zu lassen, aber auch um für den Bosnienkonvoi von „Wir helfen" ein Paket vorbeizubringen.

Die zwischenmenschliche Hilfe läuft oft unverhofft. Vor kurzem wurde dem Verein „ZukunftFamilie" ein ehemaliges Gasthaus in Hochstraß übergeben Dort wird nun ein Obdachlosenheim eingerichtet. Auch hier ergeben sich Wechselwirkungen. Wenn Güter für Bosnien gesammelt werden, die auch im Obdachlosenheim gebraucht werden, werden die Spender gefragt, ob sie einen kleinen Teil dafür verwenden dürfen. Was für das Obdachlosenheim nicht (mehr) gebraucht wird, kommt Bosnien zugute. Für die Ex-Obdachlosen ist es selbstverständlich, auch bei der Bosnienhilfe mitanzupacken. Dringend wird noch Hartholz zum Heizen gesucht. Auch sucht „Zukunft Familie" noch weitere Häuser, die vorübergehend Obdachlosen als Starthilfe zurück in ein „normales" Leben dienen können.

In Hochstraß möchte Traxler ein neues Modell gegenseitiger Hilfe ausprobieren: ein/e Obdachlose/r und eine behinderte beziehungsweise pflegebdürftige Person wohnen gemeinsam in einem Zweibettzimmer. Damit ist beiden geholfen: die pflegebedürftige Person wird gepflegt und die obdachlose Person hat ein Heim und ein Einkommen durch das Pflegegeld.

Kontaktadresse: Zukunft Familie

Westbahnstraße 1 B, 1070 Wien Tel: 52438 80

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung