"Asma“ ist überall

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Auf ein Wort

Sie war jung, intelligent und chic - und mein Versuch, ihren Besuch im SOS-Kinderdorf Hinterbrühl bei Wien (im April 2009) mit ein wenig Arabisch zu verschönern, erwies sich als entbehrlich: Asma al-Assad, Syriens Präsidentengattin, war an Londons Eliteschulen zur vielsprachigen Investment-Bankerin erzogen worden.

Von einer "Lady Di des Orients“, einer "Rose in der Wüste“ schwärmten damals selbst US-Magazine. Und sie verdrängten, dass Syrien eigentlich zu den "Schurkenstaaten“ zählte - und der Assad-Clan zu den großen Bösewichtern. "Bei einer so modernen Frau wie Asma kann auch ihr Mann Baschar nicht völlig böse sein“, folgerte prompt Carla Bruni, die "First Lady“ Frankreichs.

Zarte, smarte Präsidentengattin

Für den gehemmt, ja steif wirkenden Baschar al-Assad, der im Sommer 2000 als Verlegenheits-Nachfolger seinem tyrannischen Vater Hafez al-Assad nachgefolgt war, erwies sich die zarte und smarte Asma bald als Geschenk: In Jeans und mit Rucksack trampte die Jungverheiratete durch Syrien, um inkognito herauszufinden, wo ihre Landsleute der Schuh drückt. Für die Allerärmsten organisierte sie Mikro-Kredite. Im Salesianerinnen-Kloster von Damaskus kam sie gerne auf einen Kaffee vorbei. Und westlichen Journalisten verriet sie, warum sich ihr Mann einst gerade für das Augenarzt-Studium entschieden hatte: "Weil es da so wenig Blut gibt!“

Das alles ist längst vorbei. Im "Schlachthaus Syrien“ wird seit 17 Monaten gemordet, gefoltert und zerstört. 20.000 Tote gehen bisher auf das Konto des Assad-Regimes, das nicht abtreten will. "Asma, erheben Sie endlich Ihre Stimme! Stoppen Sie Ihren Mann!“ heißt der jüngste Appell, den Frauen weltweit ins Internet gestellt haben - bislang erfolglos. Im Gegenteil: Mitten in das Massensterben hinein werden Asmas immer neue Luxus-Bestellungen bekannt: sündteure Kronleuchter, Teppiche, Sofas - und viele Modellkleider.

Ich habe Asma al-Assad damals im SOS-Kinderdorf vom Elend hungernder, sterbender Kinder weltweit erzählt. Sie wusste genau Bescheid und schien ehrlich betroffen. Und jetzt? Ist es vorstellbar, dass diese Frau und Mutter nicht entsetzt ist von den verstümmelten Kindern auf Syriens Straßen? Dass Hunger und Verzweiflung von Millionen Landsleuten ihr Gewissen nicht erreichen, nur weil Macht und Reichtum der Familie auf dem Spiel stehen?

Zerrissenheit im Tun und Denken

Asma al-Assad ist nur ein besonders dramatisches Exempel für eine Frage, die mich seit Langem begleitet - draußen in der Welt, aber auch in Österreich: Zu welcher Zerrissenheit im Tun und Denken sind wir fähig, sobald das Schicksal uns selbst auf die Probe stellt; sobald uns - keineswegs nur in Politik und Wirtschaft - ein kleiner oder großer Vorteil lockt?

An der Korrektur dieses Webfehlers unseres Menschseins haben sich viele Religionen, Ideologien und Weisheitslehren versucht. Ihre Lösungsmodelle - von Mitgefühl und Demut bis Feindesliebe - liegen längst vor. An ihrer Umsetzung in die gelebte Praxis aber haben wir alle - und jeder für sich - noch mächtig zu arbeiten.

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