Den Pranger für Assad

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In Syrien versucht das Regime, mit dem Einsatz äußerst harter militärischer Gewalt an der Macht zu bleiben. Eingriffe braucht es nicht zu fürchten.

Dass die Assad-Dynastie in Syrien noch eine große Zukunft vor sich hat, kann man sich kaum mehr vorstellen; doch die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, dass sie sich mit Zähnen und Klauen gegen ihren Machtverlust wehrt. Die "Arabellion“ wird in diesem Land, das zu den klassischen Regionen der arabischen und islamischen Welt gehört, noch lange andauern und verläuft jetzt schon so blutig wie zuletzt im Jemen; vielleicht sogar noch blutiger. In Syrien war nicht zu erwarten, dass Assad dem Beispiel Ben Alis in Tunesien und Mubaraks in Ägypten folgen und nach kurzem Widerstand die Waffen strecken würde.

Wie im benachbarten Irak, so ist auch in Syrien die moderne Geschichte eine Kette exzessiver Gewalt. In der Zeit nach der Unabhängigkeit 1946, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, erschütterten politische Attentate und Putsche das Land. Mit der Machtergreifung von Hafiz al-Assad, dem Vater des heutigen Präsidenten Baschar al-Assad, zogen seit 1971 "Stabilität und Ruhe“ ein, doch um den Preis einer von Geheimdiensten und Armee ausgeübten gewalttätigen Schreckensherrschaft. Auch Syrien war, wie der Irak, eine "Republik der Angst“. Pluspunkte konnte das Regime allenfalls durch seine vergleichsweise tolerante Politik gegenüber den christlichen Minderheiten sammeln. Dies trug, neben seiner Berechenbarkeit in der Nahost-Politik, mit dazu bei, dass man auch im Falle Syriens trotz der Menschenrechtsverletzungen anderswo fünfe gerade sein ließ.

Alawiten als Minderheit an der Macht

Die heutige "Opposition“ ist heterogen wie fast in allen Ländern, in denen der "arabische Frühling“ ausgebrochen ist. Doch neben Arbeitsplätzen und demokratischen Rechten, neben Freiheit geht es in Syrien auch um die Religion. Mit der Machtergreifung der Assads war vor vierzig Jahren die Gemeinschaft der Alawiten an die Macht gekommen, eine Minderheit, die von der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit, die das Land seit der osmanischen Herrschaft, ja schon seit den Omajjaden von Damaskus beherrscht hatte, unterdrückt worden war. Der Aufstand der Muslimbrüder, den Hafiz al-Assad im Jahre 1982 blutig niederschlagen ließ und an den die Ereignisse der vergangenen Tage wieder erinnern, war nicht nur die Erhebung islamistischer Eiferer; dahinter stand auch der Wunsch des durch die Assads entmachteten sunnitischen Establishments, die Herrschaftsverhältnisse umzukehren, die alte Stellung wiederzuerlangen. Dies ist auch jetzt der Fall.

Hinter dem Sohn Baschar stehen die Familie, der Clan und die Alawiten-Gemeinschaft, die ihre privilegierte Stellung nicht verlieren möchte. Baschar hat es freilich versäumt, rechtzeitig die Hoffnungen zu erfüllen, die er vor elf Jahren geweckt hatte, als er dem Vater auf den Thron folgte. Dies hätte seine Herrschaft vielleicht sichern können. Nun aber glaubt niemand mehr seinen Reformversprechen.

Das Regime profitiert von der Komplexität der Lage

Außerhalb Syriens sind angesichts der Gewalt die Erschütterung, aber auch die Ratlosigkeit groß. Das Regime weiß, dass Syrien im Geflecht der arabischen wie der internationalen Politik eine andere, komplexere Rolle einnimmt als etwa Tunesien oder Ägypten. Deshalb kalkuliert es damit, dass es die sogenannte Weltgemeinschaft bei Protesten und einem erträglichen Paket von Sanktionen belassen wird. Syrien war, anders als Ägypten und Tunesien, bis zur weltpolitischen Wende 1990/91 ein Verbündeter der Sowjetunion im Nahen Osten. ... Eine militärische Intervention, wie im Falle des irrlichternden Libyers Gaddafi, wird es in Syrien nicht geben.

* Frankfurter Allgemeine, 3. August 2011

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