Egon Bahr: "Bitte werdet doch normal!"

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Bitte, bitte, werdet doch normal!" So eindringlich und eindrücklich formulierte Egon Bahr die Bringschuld Deutschlands gegenüber Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Und seine Heimat habe diese Balance zwischen der einstigen Machtversessenheit und der zwischenzeitlichen Machtvergessenheit mittlerweile gefunden, ist der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete, Kanzlerberater unter Brandt und Schmidt sowie Architekt der deutschen Ostpolitik überzeugt. Weder militärisch noch währungspolitisch sei Deutschland heute eine Gefahr für Europa. Im Gegenteil: Durch kluge Bündnisse könne Deutschland maßgeblich zu Konfliktlösungen beitragen und damit auch die Supermacht USA bändigen.

Für Bahr steht fest, dass die Vereinigten Staaten militärisch uneinholbar vorne liegen. "Ich bin Realist und meckere nicht darüber", sagt er, und deswegen könne und dürfe Europas Interesse nicht militärisch sein. Dumm wäre jedoch, darauf antiamerikanisch zu reagieren, meint Bahr. Europa solle vielmehr selbstbestimmt seinen Weg gehen. Nicht in Konkurrenz zu den USA, sondern in Emanzipation von der Supermacht.

Bahr: "Europas Weg ist der Weg der Diplomatie, der Verhandlungen, der Verträge, ein Weg des Gewaltverzichts." An eine Arbeitsteilung zwischen Europa und der Militärmacht Nr. 1 denkt Bahr, der zum Ende seines Berufslebens als wissenschaftlicher Direktor der Stiftung für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg tätig war. Europa solle durch Diplomatie versuchen, dass "Schurkenstaaten nicht schurkisch handeln". Und wenn den USA dadurch ein Krieg erspart werde, sei doch allen Seiten gedient, schlussfolgert der ehemalige Politiker, der seine Lehren aus der Zeit des Kalten Krieges gezogen hat.

Soweit war nach eineinhalb Stunden Diskussion alles klar. Trotzdem, eine Frage blieb unbeantwortet: Wer hat nun wem ein Geschenk gemacht? War Egon Bahr der Beschenkte, der aus Anlass seines 80. Geburtstags nach Österreich eingeladen worden war, oder waren es Heinz Fischer und die zahlreich erschienenen Zuhörer im Empfangssalon des Parlaments? WM

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