"Erledigen bis 2010"

Werbung
Werbung
Werbung

Harald Perl, Präsident des neuen Asylgerichtshofes, hält es für realistisch, dass der enorme Rückstau an Asylverfahren in zwei Jahren aufgearbeitet werden kann.

Am ersten Juli öffnete der neue und umstrittene Asylgerichtshof seine Pforten und löste den bisherigen "Unabhängigen Bundesasylsenat" (UBAS) ab. Präsident des neuen Gerichtshofes ist Harald Perl.

Die Furche: Herr Perl, kann sich ein Asylwerber, eine Asylwerberin darauf verlassen, dass er oder sie in Österreich ein faires und qualitätsvolles Asylverfahren bekommt?

Harald Perl: Ja. Die österreichischen Asylverfahren weisen einen sehr hohen Standard auf, der international keinen Vergleich scheuen muss. Daran wird sich auch in Zukunft mit dem neuen Asylgerichtshof nichts ändern.

Die Furche: Aber die Verfahren dauern im Schnitt sehr lange. Widerspricht das nicht dem Qualitätsanspruch?

Perl: Ich sehe darin keinen Widerspruch. Dieser Rucksack (konkret 23.800 Berufsverfahren in Warteposition) ist aufgrund mangelnder personeller Kapazitäten entstanden. Unsere Behörde war für 5000 Berufungsverfahren konzipiert, es sind aber jährlich 12.000 neue dazugekommen. Trotzdem hat sich der UBAS bemüht, den Verfahren, die er bewältigen konnte, eine hohe Qualität zu geben. Das zeigen auch die Urteile in den Beschwerdefällen, mit denen sich das Höchstgericht beschäftigte. Die 2006 begonnenen Personalaufstockungen wurden fortgesetzt: Der neue Asylgerichtshof wird noch einmal 25 Richter und weiteres Personal dazubekommen. Insgesamt hat der neue Gerichtshof nun 270 Bedienstete, davon 76 Richter. 2005 gab es in etwa 100 Bedienstete, davon 35 Senatsmitglieder.

Die Furche: Wird das reichen, um den enormen Rückstau abzubauen?

Perl: Durch die Personalinvestitionen und die neue Struktur - zwei Kontrollebenen wurden zu einer verschmolzen - soll dieser Rucksack bis zum Jahr 2010 abgebaut werden. Das ist aufgrund der personellen Investitionen durchaus ein realistisches Ziel.

Die Furche: Es wird von vielen Seiten kritisiert, dass ein Asylwerber nun nicht mehr als Letztinstanz den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) anrufen kann. Was entgegnen Sie dieser Kritik?

Perl: Zum einen sind nun zwei Kontrollebenen im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung zusammengelegt worden (siehe Kasten). Zweitens muss man beachten: Der UBAS hatte bisher als gerichtsförmige zweite Instanz eine Entscheidung über eine Beschwerde zu treffen. Die nachprüfende höhere Instanz, der VwGH, hob die Bescheide nur auf, äußerte sich aber nicht in der Sache selbst. Nunmehr gibt es einen Gerichtshof, der in der Sache selbst entscheiden wird. Ein Verfahren wird in Zweier-Senaten abgewickelt, also jeweils zwei Richter, die sich bei ihrer Entscheidung einig sein müssen. Ich gehe davon aus, dass es zu keinen Qualitätseinbußen kommen wird.

Die Furche: Was macht Sie so zuversichtlich?

Perl: Der VwGH hat in den vergangenen Jahren, konkret 2006 und 2007, in nur 16 Prozent der Fälle die Entscheidungen des UBAS behoben. Konkret wurde in 42 Fällen aus dem Zeitraum 2005 bis 2007 auf Basis eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes letztendlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Aufgrund der nun vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen, wie die Struktur der Senate, sollen nun auch jene Verfahrensmängel, die in der Vergangenheit zu geringfügigen Behebungen geführt haben, ausgeräumt werden.

Die Furche: Sehen Sie auch Handlungsbedarf bei der Asylbehörde selbst (beim Bundesasylamt)?

Perl: Wir müssen hier mehrere Faktoren beachten: Je besser, ausführlicher und umfassender ein erstinstanzliches Verfahren ist, desto kürzer kann auch ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren sein. Hier gab es bereits personelle Investitionen und Maßnahmen zur Qualitätskontrolle. Es gibt aber noch einen dritten wichtigen Faktor: Die Berufungsquote gegen erstinstanzliche Bescheide ist sehr hoch, in den letzten Jahren zwischen 80 und über 90 Prozent. Aber angesichts der Sache, um die es geht, halte ich diese Rate für weder ungewöhnlich noch unverständlich. Asylwerber sind teilweise Tausende Kilometer unter sehr widrigen Umständen zu uns gekommen. Ganz unabhängig, ob sie auch tatsächlich Flüchtlinge nach der Genfer Konvention sind oder ob sie aus anderen Gründen zu uns kommen, die ich nicht beurteilen möchte, es geht für sie um sehr viel. Daher wird auch die beste Qualität eines erstinstanzlichen Verfahrens die Berufungsquote voraussichtlich nicht senken. Es ist aber ein qualitatives erstes Verfahren eine gute Voraussetzung für ein effizientes und zügiges Beschwerdeverfahren.

Die Furche: Sehen Sie auch Reformbedarf beim derzeitigen Fremdenrecht?

Perl: Das Asylgesetz ist zweifellos in den letzten Jahren strenger geworden. Es beinhaltet eine deutliche Orientierung dahingehend, Missbrauch von vorneherein vorzubeugen. Es steht mir als Leiter einer Asylbehörde nicht zu, gute Ratschläge in Bezug auf das Fremdenrecht zu geben. Fakt ist aber, je stärker ein Staat die Zuwanderung beschränkt, umso mehr wird auf Asylanträge ausgewichen.

Die Furche: Halten Sie das derzeitige Fremdenrecht für zufriedenstellend?

Perl: Ich habe es weder begrüßt noch verurteilt. Für uns gilt, auf Basis dieser gesetzlichen Bestimmungen und auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention Entscheidungen zu treffen.

Die Furche: Wie sehen Sie das Dilemma, das sich aus der langen Verfahrensdauer für Asylwerber ergibt? Sie schlagen doch hier Wurzeln.

Perl: Ich verkenne die Probleme nicht, die damit in Zusammenhang stehen. Daher müssen wir in der Lage sein, möglichst rasch zu entscheiden, ob Flüchtlingseigenschaft vorliegt oder nicht. Die darüber hinausgehenden Fragen der Niederlassungsbewilligung und des humanitären Bleiberechts sind Folgefragen und vom Asylrecht zu trennen.

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe das Interview mit dem kritischen Richter des Asylgerichtshofes Josef Rohrböck.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger.

Zur Person

Harald Perl, geboren 1957 in Wien und Jurist, begann seine Karriere im Bundesministerium für Landesverteidigung. Danach war er Büroleiter von Ex-Kanzler Franz Vranitzky. Von 1997 an leitete er den Unabhängigen Bundesasylsenat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung