Wasser, Geschmack, Image

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Coca-Cola Manager Steve Leroy über die Kraft der Marke, die Gefahr kultureller Nivellierungund die soziale Verantwortung von Unternehmen. Ein Gespräch.

Ethisches Verhalten zahlt sich aus, so die Überzeugung von Steve Leroy, dem Kommunikationschef von Coca-Cola in Zentraleuropa, Eurasien und dem Mittleren Osten. Er war bei den von der Wirtschaftskammer Österreich initiierten Gesprächen über Wirtschaft und Ethik beim Forum Alpbach zu Gast. Ethik rechne sich, weil sie der einzige Weg sei, auf Dauer eine erfolgreiche Marke aufzubauen, so Leroy. Der Wert einer Marke bemisst sich nach ihrem Image und ihrem Bekanntheitsgrad. Coca-Cola ist die größte Marke der Welt, mit einem Markenwert von 69,6 Milliarden US-Dollar. Laut Interbrand macht bei Coca-Cola der Wert der Marke 96 Prozent des ganzen Unternehmenswertes aus.

Nach "OK" ist Coca-Cola das bekannteste Wort der Welt. Für die Marke ist die Coca-Cola Company mit Sitz in Atlanta verantwortlich, die Coca-Cola-Konzentrat an lokale Abfüller verkauft. Diese sorgen dafür, dass man rund um den Globus das beliebte Erfrischungsgetränk erhält. Nur wo es nationale oder US-Gesetze verbieten, finden sich noch weiße Flecken im Coca-Cola-Netzwerk - z. B. im Irak.

Die Furche: Worin liegt das Geheimnis des Erfolgs von Coca-Cola?

Steve Leroy: Wichtig ist die lange Zeit, die es Coca-Cola gibt, nämlich schon seit 1886. Seit damals hat man kontinuierlich daran gearbeitet, die Marke aufzubauen. Darum sind wir heute die größte Marke der Welt, und wir investieren viel in die Marke. Hinzu kommt, dass Sie Coca-Cola überall auf der Welt bekommen können. Das leisten unsere Abfüller. Das heißt, die Menschen wissen genau, wofür Coca-Cola steht, und sie finden es überall. Das sind unsere Geheimnisse.

Die Furche: Wofür steht CocaCola?

Leroy: Coca-Cola ist ein kleines Vergnügen, das sich jeder im Alltag leisten kann. Jeder Mensch braucht täglich Wasser. Sie können nun einfach Wasser trinken oder etwas anderes, z. B. Coca-Cola. Wir haben Wasser genommen, Geschmack beigegeben und ein Image dazu kreiert: Ein Stückchen Optimismus im Alltag und ein Produkt von hoher Qualität.

Die Furche: Man sagt, wenn alle Abfüllanlagen zerstört würden, wäre der Schaden für Coca-Cola weit geringer, als wenn das kollektive Bewusstsein, wofür Coke steht, plötzlich verloren ginge, also die Marke. Wie kommen die Vorstellungen über Coca-Cola in die Köpfe der Leute?

Leroy: Wir haben Coca-Cola eine klare Identität mit einer klaren Aussage gegeben und sind dem treu geblieben. Das lässt sich mit der Visitkarte eines Menschen vergleichen. Die Marke hat sich zwar in ihrem Stil und ihrer Werbung geändert - wenn Coke eine Person wäre, würde sie heute nicht in der Kleidung von 1886 daherkommen, sondern in irgendwelchen trendigen Techno-Klamotten -, doch die Identität ist immer die gleiche geblieben.

Die Furche: Verbindet sich mit Coca-Cola das Image vom "American way of life"?

Leroy: Sicherlich ist Coca-Cola eine amerikanische Ikone und eine der großen und ältesten US-Erfolgsstories. Daher werden wir mit den USA identifiziert. In Belgien, meinem Heimatland, betrachtet man Coca-Cola als einen Amerikaner, der lange Zeit bei uns gelebt hat. Die Belgier sind daher offen für typisch belgische Marketing-Kampagnen. In Afrika hingegen erwarten die Menschen typisch amerikanische Werbekampagnen, denn Amerika gilt dort als das große Vorbild.

Die Furche: Heißt das, dass sich die Werbemaßnahmen in den verschiedenen Ländern sehr unterscheiden?

Leroy: Früher haben wir alles zentral in Atlanta entwickelt. Doch seit zwei Jahren verfolgen wir ein anderes Konzept und haben weltweit etwa 30 unterschiedliche Kampagnen entworfen. Das bedeutet, es werden lokale Kampagnen entwickelt, die sich nach den Erwartungen der Konsumenten richten. In Saudi-Arabien etwa müssen wir bei der Werbung besonders auf die Normen des Islam Rücksicht nehmen, so dass sich niemand verletzt fühlt.

Die Furche: Kürzlich habe ich in einem kleinen Dorf im Hochland von Guatemala, in dem es weder eine gute Trinkwasserversorgung noch eine Apotheke gab, beobachtet, wie eine Mutter ihrem vielleicht sechsmonatigen Kind Coca-Cola in einer Babyflasche zu trinken gab. Dabei war Coca-Cola dort viel teurer als frisch gepresste Obstsäfte.

Leroy: Ich heiße es nicht gut, wenn eine Mutter ihrem kleinen Kind Coca-Cola gibt, außer es braucht Zucker und Wasser, weil es vielleicht erbrochen hat. Coca-Cola kann kein Ersatz für Muttermilch sein.

Doch wir sind ein Unternehmen und verkaufen unser Produkt, wo immer es die Menschen kaufen möchten. Tatsächlich ist Coke in erstaunlich entlegenen Gebieten erhältlich. Wo wir ein Potential zum Verkauf sehen, werden wir aktiv. Dass es in dem Dorf kein gutes Trinkwasser gibt, liegt in erster Linie in der Verantwortung der lokalen Regierung und nicht von Coca-Cola. Wir haben jedoch Interesse an unserem Image, daher bauen wir etwa in einem indischen Dorf eine Wasserversorgung auf, die nicht nur unsere Abfüllanlage versorgt, sondern auch der Trinkwasserversorgung des ganzen Dorfes zugute kommt, auch wenn das jetzt in indischen Medien falsch dargestellt wird.

Coca-Cola bemüht sich daher, die Regierungen bei ihren Aufgaben zu unterstützen, aber in erster Linie sind wir ein Wirtschaftsunternehmen, das Gewinn machen will. Ich finde es nicht gerechtfertigt, dass man auf große Unternehmen wie Coca-Cola zeigt bei Angelegenheiten, die Sache der Regierungen sind.

Die Furche: Noch vor zehn Jahren haben mir Freunde in Indien immer Frucht-Shakes angeboten, heute steht dort Coca-Cola auf dem Tisch. Tragen Sie nicht zu einer Monokultur im Getränkesektor bei?

Leroy: Ich will ganz ehrlich sein: Wir versuchen unsere Produkte zu verkaufen, wo immer es möglich ist, um unseren Umsatz und Gewinn zu steigern. Das hat natürlich Auswirkungen, das heißt, wir verdrängen lokale Mitbewerber, manchmal kaufen wir auch lokale Marken - in Indien haben wir das beispielsweise gemacht. Ich befürchte aber keine Monokultur, denn der Getränkemarkt wird von immer mehr Mitbewerbern heiß umkämpft. Unser Produkt bietet den Menschen dabei auch einen emotionalen Nutzen. Das ist wie bei Autos: Der eine fühlt sich in einem Skoda wohl, der andere in einem BMW. Das sagt vielleicht auch etwas über die Lebenseinstellung aus. Genauso ist es mit Coke: Es ist einfach trendig, Coke zu trinken.

Die Furche: Der emotionale Nutzen muss ein wesentliches Element sein, denn in Indien, um beim Beispiel zu bleiben, kostet Coca-Cola rund zehnmal soviel wie ein Tee, den man dort üblicherweise trinkt.

Leroy: Das liegt nicht nur daran, dass wir als führende Marke einen hohen Preis verlangen können, sondern auch, dass die Qualität, die wir garantieren, eine aufwendige Infrastruktur erfordert, die viel Geld kostet. Da es in Ländern wie Pakistan oder Usbekistan keine relevanten lebensmittelrechtlichen Vorschriften gibt, müssen lokale Anbieter nicht die hohen Standards erfüllen, die sich Coca-Cola selbst gesetzt hat. Und die spiegeln sich in dem relativ hohen Preis wider.

Die Furche: Wie viel von dem Geld, das in einem Land mit Coca-Cola verdient wird, fließt in die Zentrale nach Atlanta, wie viel bleibt im Land?

Leroy: Das ist in jedem Land ein bisschen anders, aber es ist für die Zentrale viel weniger, als man gemeinhin annimmt. Denn wenn Sie irgendwo Coca-Cola trinken, verdient daran einen Großteil der lokale Abfüller. In Österreich arbeiten z. B. rund 30 Personen für die Coca-Cola Company, hingegen über 1.000 bei den Abfüllern. Selbst von den 30 sind fast alle aus Österreich. Alle Löhne usw. bleiben in Österreich - und nur ein kleiner Rest geht nach Atlanta.

Die Furche: Haben Sie in manchen Ländern Schwierigkeiten?

Leroy: Wir hatten Probleme in den arabischen Ländern, und noch immer wird in einigen moslemischen Ländern zum Boykott amerikanischer Unternehmen aufgerufen. Zudem betrachtet man uns dort fälschlicherweise als jüdisches Unternehmen. Dabei sind wir weder jüdisch, noch arabisch, noch christlich - unsere Aktionäre sind überall.

Die Furche: "Wirtschaft und Ethik" ist ein Thema der Gespräche in Alpbach. Glauben Sie, dass sich ethisches Verhalten auszahlt?

Leroy: Es zahlt sich aus. Daher haben wir unter anderem einen ethischen Verhaltenskodex, dem sich unsere Mitarbeiter verpflichten müssen - etwa dass Bestechung absolut tabu ist, dass die lokale Gesetzgebung in jedem Fall zu beachten ist, wie man die Angestellten behandelt, dass es dabei keinerlei Diskriminierung geben darf etc. Am Ende kommt es immer auf das ethische Verhalten an. Gerade die Ereignisse in den USA zeigen, dass kurzfristiges Denken und unethisches Verhalten sich nicht nur nicht auszahlen, sondern sogar ein Unternehmen zugrunde richten.

Für Coca-Cola ist darüber hinaus die soziale Verantwortung des Unternehmens von großer Bedeutung. In Jordanien beispielsweise statten wir Schulen mit Computern aus. Das verschafft auch dem Unternehmen einen Nutzen: Wir bauen dadurch sehr gute Kontakte zur Regierung auf, denn wir unterstützen sie bei ihren Anstrengungen. Außerdem erzeugen wir ein sehr großes Medienecho, was dem Ansehen unseres Unternehmens und unserer Marke sehr zugute kommt. Überdies: Wenn ein Unternehmen nicht über hohe ethische Standards verfügt, bekommt es auch nicht die besten Mitarbeiter, was sich negativ auswirkt. Von ethischem Verhalten profitieren alle, die Gesellschaft und das Unternehmen.

Die Furche: Hier in Alpbach wurde die Frage gestellt, wie man es schafft, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich ethisches Verhalten auszahlt. Wie lautet Ihre Antwort?

Leroy: Ich sehe das pragmatisch. Mit Ethik will man erreichen, dass die Welt ein besserer Ort wird. Wie kann die Wirtschaft dazu beitragen? Sicherlich sind Gesetze ein hervorragendes Mittel, das zu erreichen, denn es wird immer Menschen geben, die sich unethisch verhalten. Das schafft aber nur einen Mindeststandard, außerdem kann man die Gesetze nicht laufend den neuen Gegebenheiten anpassen. Persönlich glaube ich daher - und ich bin Anwalt -, dass Gesetze meistens nur die zweitbeste Lösung sind. Da unser wichtigstes Gut unser Image ist, sollten wir in jedem Fall ethisch handeln, selbst wenn es keine Gesetze gäbe.

Die Furche: Das Thema des diesjährigen Forums Alpbach lautet "Kommunikation und Netzwerke". Liegt der Erfolg von Coca-Cola auch darin, dass man dort die Bedeutung dieser Themen sehr früh erkannt hat?

Leroy: In der Tat. Unser Konzern lebt von Kommunikation und vom Image. Um erfolgreich zu sein, sind Kommunikation und Networking mit allen Stakeholdern, also allen Ansprechgruppen, entscheidend. Ein Beispiel: Den großen Erfolg in Europa verdankt Coca-Cola auch dem guten Networking zur US-Regierung während des Zweiten Weltkriegs. Die GIs haben Coca-Cola damals den europäischen Konsumenten viel näher gebracht als die Werbung. Für uns ist auch Alpbach ein wichtiges Forum für Networking, es ist ein Marktplatz der Ideen für ganz Europa.

Die Furche: Coca-Cola wird besonders von jungen Menschen geschätzt, nun gibt es aber in Europa immer weniger junge Menschen. Wie reagiert Coca-Cola darauf?

Leroy: Es ist eine Herausforderung für das Marketing, das klassische Coca-Cola für die älter werdenden Konsumenten attraktiv zu halten. Darüber hinaus entwickeln wir weitere Produkte wie Säfte und Wasser, die auch von älteren Menschen gerne konsumiert werden.

Steve Leroy, geb. 1966, studierte Jus an der Katholischen Universität Leuven und hält einen MBA der INSEAD in Fontainebleau. Seit vier Jahren arbeitet der Belgier für Coca-Cola, seit April 2002 leitet er die Kommunikation von Coca-Cola in 48 Staaten Zentraleuropas, Eurasiens und des Mittleren Ostens.

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