Cola trinken, Ideologie trinken

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Sie können es selbst versuchen: Stellen Sie sich vor, Sie würden im Mittelalter leben und die einzigen Getränke wären Wasser, Milch, Wein und Bier. Und nun probieren sie Coca-Cola. Vielen von Ihnen wäre der Geschmack plötzlich unangenehm. Das ist das Experiment "trinke Coca-Cola ohne seine ideologische Komponente".

Das Wichtige dabei ist, dass die Ideologie dem Coca-Cola Geschmack hinzufügt. Coca-Cola ist zu einem Symbol des amerikanischen Denkens geworden: das Symbol des Kapitalismus, der Freiheit, Jugend, Frische, des Lebens und des Optimismus. Aber dieses Bild trägt wie jedes ideologische Symbol gleichzeitig einen Vorwurf in sich. Denn der Glaube unserer Zeit, ähnlich der Struktur von Religion und Ethik -arbeitet mit dem Motiv der Rückkehr, der unaufhörlichen Reue. In Wirklichkeit trinken wir ein Rollenbild, das uns die Konsumgesellschaft zuweist, eine Art Identifikation mit dem negativsten und primitivsten Aspekt der Amerikanisierung, jene der Pinup-Girl-Romantik. Und damit geht eine globale Vereinheitlichung des Geschmacks einher.

Aber das ist noch nicht der schlimmste Vorwurf, den man dieser Ideologie machen kann. Die Aktion des Trinkens verstößt nämlich darüber hinaus gegen die heiligsten Gebote unserer Zeit: Gesundheit und Schlankheit. Mit dem Konsum konsumieren wir auch den Vorwurf des Konsums. Dieses Gegensatzpaar ist häufig: In der Liebe geht es oft um Hass-Liebe. Selbst so unterschiedliche polare Emotionen wie Lust und Angst können nicht vollständig getrennt werden. Und diese Tendenz zeigt sich eben auch im Konsumverhalten: Es geht um Freiheit. Freiheit ist vor allem Verbrauchs-Maximierung. Je mehr ein Mensch hat, umso freier scheint er. Aber das könnte nur ein Glaube sein, der eine Gefangenschaft verbirgt. Wir könnten daran denken, wenn wir das nächste mal Coca-Cola trinken.

Der Autor ist Professor für Ökonomie an der Universität Prag

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