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Wie geht's weiter mit dem Kreuz?

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Die bayerische Landesregierung hat vorvergangene Woche (exakt am 26. Oktober) einen neuen Gesetzesentwurf zum umstrittenen Kruzifix in Klassenzimmern eingebracht. Die Vorlage sieht vor, daß Kreuze weiterhin in Schulzimmern aufgehängt werden müssen und nicht nur können. Allerdings sind bisher fehlende Regelungen für Konfliktfälle vorgesehen. Der Schulleiter soll bei Beschwerden nach Prüfung der Argumente von Befürwortern und Gegnern eine Entscheidung treffen. Das neue Gesetz soll voraussichtlich am 28. November im bayerischen Landtag abgesegnet werden. Anstoß für diese neue Regelung war ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts (Furche 33 und 34/1995), das die Verpflichtung der Schulen, das Symbol des christlichen Glaubens anzubringen, für verfassungswidrig erklärt hat. Die furche befragte dazu den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann.

DIEFURCHE: Wiek beurteilen Sie das sogenannte Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts? Bischof Karl Lehmann: Das Urteil betont einseitig das Recht auf NichtAusübung einer Religion. Es gibt aber nach der deutschen Verfassung auch die positive Religionsfreiheit. Gläubige haben das Recht, ihrer Religion auch öffentlich Ausdruck zu geben. Ein Kreuz im Klassenzimmer setzt nach unserer Überzeugung niemanden unter Druck.

DIEFURCHE: Schließen Sie sich der Forderung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken an, daß sich das Bundesverfassungsgericht selbst korrigieren sollte?

Lehmann: Der Vorsitzende des Ersten Senats hat das Urteil in einer Weise interpretiert, die manche geradezu als Korrektur auffassen. Nach diesen

Äußerungen ist nur die staatliche Anordnung zum Anbringen von Kreuzen in Klassenzimmern verfassungswidrig. Zur Rechtssprechung gehört auch die Serie anderer Urteile des Gerichts. Es relativiert sich selbst - auch durch spätere Urteile.

DIEFURCHE: Begrüßen Sie die Gesetzesinitiative in Bayern, wodurch Kruzifixe weiter in den Klassenzimmern hängen bleiben dürfen? lehmann: Ja. Weltanschauliche Neutralität darf nicht dazu führen, daß der Staat Religionslosigkeit quasi verordnet. Der Staat hat seinen Erziehungsauftrag von den Eltern. Im übrigen hat das Echo auf das Urteil gezeigt, daß in der Bevölkerung ein nachhaltiges Bedürfnis nach Wertorientierung und auch nach Religiosität und einem Ethos vorhanden ist.

DIEFURCHE: Wirum lehnen Sie und andere Bischöfe das Kirchenvolksbegehren so vehement ab? lehmann: Wir haben darauf hingewiesen, daß dieser Weg zur angemessenen Antwort auf die aufgeworfenen Fragen nicht angemessen ist. Es ist zu billig, das Ausbleiben konkreter Veränderungen einfach auf den Unwillen der Bischöfe zurückzuführen. Die Probleme sind komplexer, als daß sie sich durch ein Kreuzchen beziehungsweise die Unterschrift hinter einigen reichlich unscharf formulierten Forderungen lösen ließen. So wird die Resignation - entgegen der Absicht -nur größer.

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