Zwischen Vernunftehe und Liebesheirat

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Auf dem Papier klang es vielversprechend: Die Wirtschaft würde wachsen, die Ausgaben jedes Jahr um bis zu 800.000 Euro schrumpfen. Zehn Prozent mehr Finanzspielraum, dazu 267 neue Arbeitsplätze durch einen Wirtschaftspark. Auf den Reißbrettern der Stadtentwickler wuchsen die Gemeindem Pregarten, Hagenberg und Wartberg zu einer neuen Stadt zusammen. "Aist“ hätte sie heißen sollen, 11.700 Einwohner zählen, und in sieben Jahren auf den Landkarten auftauchen. Von einer S-Bahn nach Linz träumten die Visionäre, von einer autarken Energieversorgung und einem Shopping-, Freizeit-, Wohn-, und Firmenpark. Die oberösterreichische Industriellenvereinigung lobte die positiven Effekte. Der Ökonom Friedrich Schneider berechnete einen BIP-Anstieg von fast 30 Millionen Euro. Die Bürgermeister von Pregarten und Wartberg wollten am liebsten sofort mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen. Doch sie haben die Rechnung ohne die Braut gemacht: Die Hagenberger Bürgermeisterin blieb skeptisch, genau wie die Bevölkerung. Bei einer Volksabstimmung im letzten November stimmten mehr als 90 Prozent der Hagenberger gegen die Fusion. Die Hochzeit und Aist waren damit abgeblasen.

Auch in der Steiermark erteilten die Bürger in den letzen Monaten geplanten Fusionen herbe Abfuhren. In neun steirischen Gemeinden sprach sich die Bevölkerung bisher bei Volksbefragungen mit überwiegenden Mehrheiten gegen Zusammenlegungen aus.

Sparpotenzial versus Kommunalidentität

Die "Reformpartnerschaft“ aus Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und seinem Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) lässt sich dadurch aber nicht vom Kurs abbringen. Im Zuge der "Gemeindestrukturreform“ wollen sie Gemeinden bis Jahresende zu leistungsfähigen, wirtschaftlichen und professionellen Regionalzentren zusammenlegen. Bei den Wahlen 2015 soll schon in den neuen Strukturen gewählt werden. Ortsname, Wappen, Ortstafel und Ortsteilbürgermeister sollen übrigens beibehalten bleiben, damit die Identität nicht verloren geht. Mit 542 Gemeinden ist die Steiermark das kleinststrukturierte Bundesland, 76 davon haben nicht einmal 500 Einwohner, 120 weitere liegen unter der 1000-Marke. Diese kommunale Landschaft will die Regierung nun - je nach Sichtweise - stärken oder bereinigen. "Es ist nicht von Zwang oder Drüberfahren die Rede, wir wollen überzeugen“, sagt das Reform-Duo. Wichtigstes Argument ist das Geld: 40 Millionen Euro können einer Studie zufolge in der Steiermark durch Fusionen gespart werden.

Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer steht Spar-Berechnungen bei Fusionen skeptisch gegenüber: "Der große Anteil an Freiwilligenarbeit, der innerhalb der Gemeinden geleistet wird, wird nicht berücksichtigt. Wenn der aber wegbricht, weil die Identifikationsmöglichkeit fehlt, wird es viel teurer.“ Auch der Vertrauensverlust in die Politik, der mit größeren Einheiten einhergeht, wirke sich laut Mödlhammer negativ aus. Für Karin Gastinger, die bei PricewaterhouseCoopers Gemeinden berät, ist die schrittweise Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg: "Kooperationen beim Winterdienst, beim Bauhof oder bei der Buchhaltung machen Sinn. Wenn man die Servicequalität für Bürger spürbar steigern kann, sind die Einsparungen nicht mehr Hauptargument sondern ein positiver Nebeneffekt.“

Diesen Weg beschreitet man jetzt auch auf dem Gebiet der gescheiterten Stadt Aist: Pregarten, Wartberg und Hagenberg wollen nun gemeinsam mit Unterweitersdorf eine Verwaltungsgemeinschaft gründen. Dass die "vertrauensbildende Phase“ die Vorstufe zu einer Großgemeinde ist, wird nicht ausgeschlossen. Auch beim Heiraten heißt es schließlich: "Darum prüfe, wer sich ewig bindet.“

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