Am Anfang hat der Schöpfer im Dorf geweilt, ganz allein, gelangweilt. Ich langweile mich sehr, habe er gesprochen. Ärgerlich sei er vor allem darüber gewesen: Er sei in den Wald gegangen, habe Tabak geholt, sei ins Dorf zurückgekehrt und habe geraucht. Dann habe ihm niemand zu essen bereitet. Langeweile hab ihn gequält. Schließlich habe der Schöpfer beschlossen, Menschen zu erschaffen - aus Nkula-Nüssen. So beginnt ein Schöpfungsmythos des afrikanischen Pygmäenvolkes.
Mythen über den Ursprung der Welt und die Erschaffung des Menschen gibt es auch bei den Urvölkern Australiens, in Sibirien und bei den Indianern Nordamerikas, bei den Germanen ebenso wie bei den Babyloniern und den alten Ägyptern. Vieles daran erinnert auch an die biblische Schöpfungsgeschichte, uralte Bilder und Mythen mit denen die Menschen aller Zeiten versucht haben, ihre eigenen Wurzeln erzählerisch zu ergründen.
Der Religionswissenschaftler und Islamologe Adel Th. Khoury und der Theologe Georg Girschek haben ein ehrgeiziges Projekt unternommen: In einem zweibändigen Werk präsentieren sie eine Summe des religiösen Wissens der Menschheit. Sie haben eine vergleichende Zusammenschau religiöser Phänomene der Menschheitsgeschichte im Blick und zeichnen dabei Bahnen nach, in denen sich religiöses Wissen entwickelt.
Jede Religion liefert eigene Antworten auf die zentralen Themen Schöpfung, Gotteserfahrung, Offenbarung, Propheten, Heil und Kult, und doch findet man zahlreiche Parallelen, seien es Tabugebote oder Fruchtbarkeitsriten. Den Autoren ist es bei dieser anspruchsvollen Aufgabenstellung und bei der Fülle des Materials gelungen, eine auch für den Laien lesbare und gut verständliche Darstellung religiöser Mythen und Traditionen zu schaffen. Sie argumentieren fundiert und kommen dennoch ohne ein Meer an Fußnoten und Anmerkungen aus - und bieten dem interessierten, gebildeten Leser Grundinformationen einer Gesamtsicht auf das aus den Religionen herausgearbeitete Religiöse.
Das religiöse Wissen der Menschheit. Band 1. Von Adel Th. Khoury und Georg Girschek. Verlag Herder, Freiburg 1999. 360 Seiten, geb., öS 642,-/e 46,66
