Der Altvordere der Religionssoziologie

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Das gemeinsam mit dem vor Jahresfrist verstorbenen Thomas Luckmann verfasste Werk "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit"(1966/69) etablierte Peter L. Berger als einen der großen Gesellschaftsanalytiker an der Schwelle des 20. zum 21. Jahrhundert. Er gilt als Vater der Religionssoziologie ("The Sacred Canopy. Elements of a Sociological Theory of Religion", 1967) und hat sich mit den Engeln ebenso beschäftigt wie mit dem Humor, der ihm auch persönlich eigen war. Seine These, dass keine religiöse Tradition mehr fraglos gelte, hat den intellektuellen Diskurs in den säkularen Gesellschaften bis zuletzt bestimmt. Am 27. Juni ist Berger 88-jährig bei Boston, seiner jahrzehntelangen Wirkungsstätte, verstorben.

Geboren wurde Peter L. Berger 1929 in eine jüdische Familie in Wien, die 1938 die Heimatstadt verlassen musste. Zuvor ließen sich Peter und die Eltern in der Wiener anglikanischen Kirche taufen, weil sie hofften, dadurch Visa für Lateinamerika zu erhalten. Allerdings landete die Familie in Palästina - als getaufte Juden mitten unter Einwanderern in Haifa und im ausbrechenden jüdisch-arabischen Konflikt.

1946 ging Peter L. Berger in die USA, wo er sich der Lutherischen Kirche anschloss und Soziologie sowie Philosophie studierte. Nach verschiedenen Professuren folgte er 1981 dem Ruf an die Boston University, an der er bis zuletzt das "Institute on Culture, Religion and World Affairs" leitete.

Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner, für den der Verstorbene "Lehrer und Freund" war, schreibt in seinem Blog: "Was den Religionssoziologen Berger auszeichnete, war seine persönliche moderne Frömmigkeit. Wahrhafte Gläubigkeit vertrage sich nicht nur mit der Fähigkeit des Zweifels, sondern setze solchen sogar voraus."

Auch der FURCHE stand der Religionssoziologie wiederholt Rede und Antwort. Ein Telefoninterview vor einigen Jahren scheiterte beinahe am unterschiedlichen Sommerzeitbeginn in Boston und Wien, sodass Interviewer und Interviewter einander fast um ein Haar verpassten. Berger erläuterte dabei unter anderem, dass - im Gegensatz zur restlichen Welt für Europa - die Säkularisierungsthese noch stimme: "Da kann man wirklich von einer säkularen Gesellschaft sprechen. Von Europa aus gesehen ist Amerika etwas Merkwürdiges, wo diese vielen religiösen Typen herumlaufen. Wenn Sie es global anschauen, ist genau das Gegenteil der Fall: Amerika ist 'normal' religiös wie die meisten Länder. Eines der interessantesten Themen der Religionssoziologie ist: Warum ist Europa da so anders?"

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