Der Dämon unter uns

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Der Psychotherapeut und ehemalige Priester Richard Picker deckt das Dämonische in der Welt auf und schreibt gegen den Terror der Zusammenrottungen an.

Nicht wenige", so Paul M. Zulehner im Vorwort zu Richard Pickers neuem Buch feinsinnig, "werden sich seinen über Strecken mehr meditativ als analytisch vorgetragenen Deutungen nicht anschließen."

Zulehner ist beizupflichten. Richard Picker - Theologe, Kryptopriester, Psychotherapeut, multireligiöser Christ (© Zulehner) - versucht, in "Zusammenrottungen. Gefahren aus Dämonie, Ideologie und Religion" die Abgründe der (post-) modernen Welt auf 232 Seiten zu fassen. Weil solcher Umfang für eine erschöpfende Welterklärung nicht ausreicht, beschränkt sich der Autor auf neun "Fragmente", anhand derer er - angefangen bei Kain und Abel - erklärt, wie sich Menschen zusammenrotten, um andere unheilvoll zu beherrschen oder zu zerstören.

Der Fragmente-Kunstgriff ermöglicht es Picker, so unterschiedliche Themen wie den Amselfeld-Mythos der Serben, der hinter den letzten Balkankriegen stehe, beinahe ansatzlos neben der autobiografischen Schilderung der NAPOLA, der Eliteschule des NS-Regimes, abzuhandeln. Ebenso schnell bringt Picker die Regeln christlicher Orden und buddhistischen Mönchtums ins Spiel, um alsbald Analogien und Differenzen festzustellen. Bei den christlichen Klöstern kommt er - trotzdem er die Personen und Orte mit Pseudonymen versieht - klar erkennbar beim Benediktinerstift Göttweig an, um dann eine persönliche Analyse des Falles Groër, der diesem Stift als spätberufener Mönch angehört, anzufügen.

Schließlich landet Picker beim Sündenbockmechanismus, auf den er die destruktiven Mächte und Gewalten in Historie und Heute zurückführt. Er übernimmt dabei - wie er per Fußnote mitteilt - eins zu eins die Theorien des frankoamerikanischen Kulturwissenschafters Rene Girard und stellt diese anhand der Vita des englischen Piraten Francis Drake (1540 bis 1596) dar.

In seinen Ausführungen entschlüpft Picker immer wieder Kirchen- wie Psychotherapie-Kritik, der er das Beispiel Jesu Christi, das alle Sündenbock- und Zusammenrottungslogik überwindet, gegenüberstellt. Dass dabei auch der Islam als Bedrohung mit Zusammenrottungspotenzial herhält, verwundert kaum: Die Ereignisse des 11. September legitimieren Picker zu einer Kürzestanalyse der jüngsten diesbezüglichen Entwicklungen.

Richard Picker ist aber weder Balkanexperte noch Buddhismusgelehrter noch Islamkenner (Fußnoten offenbaren, dass er diesbezügliche Kenntnislücken nicht zuletzt durch Lektüre des Spiegel schließt), und ein Eindruck bleibt: Picker pflückt historische wie aktuelle Beispiele so, dass sie seine Zusammenrottungstheorie untermauern.

Dies ist und liest sich aber auch erfrischend verquer - und vieles davon stimmt wohl: Picker begründet seine Mutmaßungen salopp, über deren Richtigkeit sagt dies aber nichts aus. Der Autor kommt schließlich bei der Gottesfrage und beim Wissen an, dass auf Bin Laden & Co auch eine spirituelle Antwort nötig ist.

Dieser (nicht ganz exklusiven) Conclusio wird man sich kaum verschließen können.

Zusammenrottungen. Gefahren aus Dämonie, Ideologie und Religion. Von Richard Picker. Edition Va Bene, Klosterneuburg 2002, 232 Seiten, geb., e 21,90

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