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Ob Kurienbischof Alois Hudal (1885-1963) wirklich der "braune" Prälat war, als der er landläufig firmiert, wollte ein Symposion in Rom klären.

Die Person Hudal sei ihr in den zwei Tagen eher zerflossen denn greifbar geworden, monierte ORF-Journalistin Eva Maria Kaiser in der Schlussdiskussion. Dass dieser Eindruck entstehen konnte, mag unter anderem an der Programmgestaltung gelegen sein. Denn die Referenten aus Deutschland, Österreich, Italien und den Niederlanden, die in das Hudal-Archiv der Anima bereits vor der von Rektor Johann Hörist erst jetzt formell vorgenommenen Öffnung Einblick nehmen konnten, hatten nur einen Teilaspekt zu behandeln.

Einen Überblick vermittelte immerhin der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber, der den Werdegang Hudals nachzeichnete und ins österreichische Biotop einbettete. Alois Hudal wurde 1885 im national heiß umkämpften Graz geboren. 1914 habilitierte er sich in alttestamentlicher Bibelwissenschaft. Als Subrektor am Grazer Priesterseminar und als Feldkurat im Ersten Weltkrieg beschäftigte er sich intensiv mit den Ostkirchen. Von 1919 an lehrte er an der Grazer Universität, entfaltete aber eine weit darüber hinausgehende Tätigkeit etwa als Initiator der steirischen Katholikentage.

Persona non grata

1923 übernahm Hudal die Leitung des Kollegs Santa Maria dell'Anima, der deutsch-österreichischen Nationalkirche in Rom. Hier fand der fleißige, umfassend gebildete, aber auch ehrgeizige Prälat seine Erfüllung als "Weltanschauungsfabrikant" wie auch als "Priesterpolitiker", beides laut Klieber ein in Österreich damals besonders ausgeprägter Priestertypus. 1933 wurde Hudal zum Bischof geweiht. Sein Einfluss in Rom gründete vor allem auf der Ernennung zum Konsultor des Heiligen Offiziums, der heutigen Glaubenskongregation. Hudals Versuch, zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus zu vermitteln, machte ihn nach dem Krieg zur Persona non grata, doch seine Ablöse als Rektor der Anima verzögerte sich bis zum Jahr 1952, wobei der Vatikan und die österreichische Bischofskonferenz den Ball hin und her schoben.

Die Kontroverse beim Symposion in der Bibliothek der Anima drehte sich vor allem um Hudals Einstellung zum Nationalsozialismus. Wann hat er sich vom Anwalt einer pauschalen Verurteilung des Nationalsozialismus zum Verfechter einer Zusammenarbeit gewandelt? Wann genau hat er seine Unterscheidung von NS-Ideologie und NS-Politik entwickelt?

Der Münchner Historiker Thomas Brechenmacher führte detailliert aus, wie Hudal ursprünglich deutlich gesehen habe, dass ein Nationalsozialismus ohne Ideologie nicht möglich und die biologistische Rassentheorie mit dem Christentum unvereinbar sei, dann jedoch zunehmend versucht habe, die Rassentheorie zu verchristlichen: "Genau die Konsequenz seiner Erkenntnisse ließ sein kirchenpolitisches Engagement vermissen." Letztlich, so Brechenmacher, saß Hudal "einem der größten Mythen der Rechten auf: der geistigen Dominanz des Bolschewismus".

Gegenstand heftiger Erörterung waren Details wie etwa, dass Hudal in einem Buch als statistische Quelle für die Zuwanderung von Juden Joseph Goebbels anführte. Johan Ickx, der das Hudal-Archiv an der Anima seit einigen Jahren inventarisiert, meinte, Hudal sei es in erster Linie darum gegangen, von NS-Seite anerkannt zu werden. Tatsächlich habe sich der Bischof zwischen zwei Stühle gesetzt.

Zwischen den Stühlen?

Weiteres Interesse galt Hudals Rolle als Fluchthelfer nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei schon diese Fokussierung auf Widerstand stieß, habe Hudal doch bis 1945 auch Kontakte mit der italienischen Resistenza gepflogen und Juden vor der Deportation gerettet. Jure Kri\0x0161to, nach Jahren in Chicago jetzt in seiner kroatischen Heimat forschend, sah Hudal "zumindest teilweise als Opfer einer antikatholischen Phalanx". Der kommunistischen Propagandamaschinerie sei es gelungen, die westlichen Alliierten vor ihren Karren zu spannen. Hudal habe so wie die gesamte Flüchtlingshilfe der katholischen Kirche nicht nach der politischen Einstellung der Flüchtlinge gefragt; es seien die westlichen Alliierten gewesen, die auch faschistischen Kollaboranten geholfen hätten, wenn ihnen diese als Konfidenten nützlich schienen.

War Alois Hudal also braun? Der Bonner Historiker Karl-Joseph Hummel sieht ihn als "grauen Bischof, der ab und zu braun erscheint", und als einen, der "grundsätzlich auf der richtigen Seite steht, jedoch fallweise auf dem falschen Fuß". Für Kritiker irritierend ist Hudals Naheverhältnis zu Kardinal von Galen und zu Kardinal Bea, die für Widerstand gegen Hitler und Abkehr vom Antijudaismus stehen. Wie überhaupt die Aufdeckung des römischen und europäischen Netzwerks des umtriebigen Prälaten, der nach Rupert Klieber vor allem überall dabei sein wollte, den vielleicht spannendsten Aspekt des Symposions darstellte.

Mag Hudal auch vielfach im Alleingang, ja gegen ausdrückliche Weisung der Kirchenführung agiert haben, personifiziert er dennoch kraft seines bischöflichen Amtes ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Katholizismus.

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