Resistent gegen Krisenpanik

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In Krisenzeiten gilt die Stimmung in der Bevölkerung als wichtiges Kriterium. Entsprechende Analysen und Prognosen beherrschen die Medienlandschaft. Optimismus und Pessimismus der Konsumenten werden minutiös untersucht; wer heute einen Kühlschrank kauft, hilft ja "heroisch" der armen Wirtschaft, heißt es.

Diese Stimmung ist bei uns in Polen nicht schlecht. Zwar spürt die Wirtschaft selbstverständlich die Krise. Die Industrieproduktion sank im Februar um ca. 14 Prozent, zusätzlich wächst die Sorge hinsichtlich einer Spekulationsattacke auf die Währung Zloty, wie sie einst George Soros gegen das britische Pfund unternahm. Doch der sichere, zugleich freilich teure Eurohafen ist schon in Sichtweite.

Den eigentlichen Grund für den relativ starken Optimismus sehe ich aber woanders. Ein fiktiver Dialog möge das veranschaulichen. Ein Kind kommt von der Schule nach Hause und sagt: "Wir haben eine große Krise im Land." Die Mutter antwortet: "Mein lieber Sohn, du hast noch keine richtige Krise gesehen! In einer wirklichen Krise gibt es im Supermarkt nur noch Tee und Essig zu kaufen, und man kann die Essensmarken - zum Beispiel für nur zwei Kilo Fleisch pro Monat - selten eintauschen." Dann kommt die Großmutter dazu und erklärt: "Kinder, ihr habt noch keine richtige Krise gesehen! Eine wirkliche Krise bedeutet, mit zwei kleinen Kindern und drei Nachbarinnen sich ein Haus in der Taiga von Sibirien bauen zu müssen, und erst wenn das erledigt ist, sich um das Essen kümmern zu können."

So denken viele Polen wirklich. Das macht uns resistent gegen die Krisenpanik. Wobei es immer schwieriger wird, die nötige Distanz zu bewahren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Fähigkeit dazu wünsche ich Ihnen und mir von ganzem Herzen.

* Die Autorin war von 2000 bis 2004 polnische Botschafterin in Österreich

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