Eine Oligarchen-Pyramide stürzt ein

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"Mach die Bank auf, mach die Bank auf, wir wollen unser Geld!" Rund 300 verärgerte Kunden der Corporate Commercial Bank (CCB) haben sich vergangenen Montag vor den Toren der bulgarischen Zentralbank versammelt, um zu protestieren. Sie fordern den Rücktritt von Gouverneur Iwan Iskrow - und Gefängnisstrafen für all diejenigen, die für den Ruin ihrer Bank verantwortlich sind. Zwei Monate ist es her, dass das viertgrößte Geldinstitut des Landes auf Grund eines Liquiditätsengpasses alle Aktivitäten einstellen musste. Am Sonntag darauf übernahm die Zentralbank vorübergehend die Kontrolle. Nach einer Wirtschaftsprüfung stellte sich heraus, dass bei der CCB Unterlagen über Kredite im Wert von 3,5 Milliarden Lewa (rund 1,8 Milliarden Euro) fehlten. Dem ausgehöhlten Bankinstitut wurde die Lizenz entzogen, bis heute bangen die Einleger um ihre blockierten Ersparnisse. Viele Menschen können sich deswegen Operationen oder Studiengebühren nicht leisten.

Die Matrix CCB

All diese Turbulenzen -und noch ein zweiter "bank run" auf die First Investment Bank, das drittgrößte Kreditinstitut des Landes, haben das Vertrauen in das bulgarischen Bankensystem schwer erschüttert. Um diese negative Tendenz abzuwenden, beschloss die bulgarische Staatsführung, das Land der Bankenaufsicht der Europäischen Union (EU) zu unterstellen. Doch auch das politische System selbst ist längst in der Krise: Erst im Mai 2013 wurde das Parlament in Sofia gewählt, vorige Woche wurde die Koalition aus Sozialisten und der Partei der bulgarischen Türken (DPS) nach Massenprotesten aufgelöst. Für 5. Oktober wurden Neuwahlen angesetzt - die zweiten vorgezogenen Wahlen in Folge. Was ist los im Balkanstaat Bulgarien, der seit 2007 der EU angehört?

"Das Problem liegt nicht bei den Banken, sondern in der Nähe zwischen bestimmten Banken und der Macht," erklärt der Wirtschaftsexperte Petar Ganew vom Institut für Marktwirtschaft in Sofia. Paradebeispiel sei die CCB. Bei ihr hatten seit 2008 die meisten staatlichen Unternehmen ihre Einlagen, darunter etwa 87 Prozent der Energiefirmen -eine Art Schatzkammer, die allerdings zwei bulgarische Oligarchen handhabten: der Mehrheitseigentümer von CCB, Zwetan Wassilew, und der erst 34-jährige Medienmogul und Abgeordnete der "Türkenpartei", Deljan Peewski, der durch seine steile und merkwürdige Karriere längst eine umstrittene Figur in Bulgarien geworden ist. Ihre Zusammenarbeit funktionierte bis vor Kurzem reibungslos: Wassilews Bank unterstützte die Medien von Peewski; dieser sicherte den Regierenden, der Justiz und den staatlichen Kontrollorganen eine genehme Berichterstattung zu. Und als Gegenleistung waren Einlagen staatlicher Firmen bei der CCB genauso gut gesichert wie lukrative öffentliche Aufträge. Auch für Normalbürger wurde die CCB zunehmend attraktiv. Das Mediengeschäft, aber auch Multis wie etwa Bulgartabac, Vivacom, Petrol und Technomarket brachten den Partnern zudem Aktien in Milliardenhöhe. Doch es kamen keine nachhaltigen Investitionen zustande: Häufig wurden nur Kredite über Briefkastenfirmen untereinander verteilt. Alles vor den Augen der Justiz.

Ein Banker auf der Flucht

Die Gier nach Geld und Macht brachte das Tandem von Wassilew und Peewski freilich ins Schleudern -und führte schließlich zum großen Krach zwischen den zwei mächtigen Männern. Sogar zu Morddrohungen soll es gekommen sein, was allerdings von der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt wurde. Wassilew suchte Zuflucht in Wien und erklärte in einem offenen Brief an die Medien, dass der Staat die Schuld für die Situation seiner Bank trage: Die Institutionen wären bei der Liquiditätskrise viel zu passiv gewesen.

"Bei der CCB sind sich zwei Männer in die Haare geraten, um die Aktiva mancher Bankenkunden zu ergat tern. Sie begannen, einander über die Medien anzuschwärzen. Die Normaleinleger, aber auch die staatlichen Institutionen gerieten in Panik und letztere beschlossen, einen Teil der Mittel auf den Konten auszuführen, damit es nicht zu einem klassischen Banken-Crash kommt", rekapituliert der Ökonom Krassen Stantschew das Geschehen.

Wobei der Streit der ehemaligen Geschäftspartner nur einmal mehr die Existenz eines korrupten Netzwerks zwischen Politik, Wirtschaft und Justiz in Bulgarien bestätigt. "Peewski ist ein Mensch, der sich wie der Herrscher des Landes aufführt", sagte Wassilew selbst im TV-Interview. "Ein paar seiner Marionetten verteilen im Namen des bulgarischen Staates schon in aller Öffentlichkeit Bauprojekte." Nicht nur der Ton, auch das Spiel zwischen den beiden Oligarchen ist rau geworden. Peewski soll Wassilew laut Medienberichten beim riesigen Pipeline-Projekt "South Stream" überlistet haben: Allein der Bauauftrag soll sich dabei auf 3,8 Milliarden Euro belaufen.

In Sofia wurde Deljan Peewski indes mehrmals bei der Sofioter Staatsanwaltschaft vorgeladen. Er musste zu den Morddrohungen aussagen. Dass die Regierung just ihn, die Ikone der Oligarchie schlechthin, im Juni vergangenen Jahres quasi als Nebenjob mit der Kontrolle des Geheimdienstes beauftragen wollte, führte zu monatelangen Massenprotesten, die - angeheizt durch die "bank runs" - vor wenigen Tagen zur Regierungsauflösung führten.

Medienmogul in der Opferrolle

Und was sagte Peewski selbst zu den Vorgängen? "Wassilew wollte die Unterstützung der Mediengruppe meiner Familie für sein megalomanisches Projekt, Ministerpräsident von Bulgarien zu werden und somit den ganzen Staat zu erobern. Ich bin diesem Wunsch nicht nachgekommen", erklärte er vor einer Schar Reportern -mit weißem aufgeknöpften Hemd, elegantem Bart unter der Boxernase und der Stimme eines leicht gelangweilten Jugendlichen. Er hätte umgebracht werden sollen, damit alle zur Ruhe kämen, fügte Peewski hinzu und stieg in seinen schwarzen BMW.

"Ob nach den Wahlen das Modell 'Peewski', nämlich jenes der oligarchischen Machtpyramide, demontiert wird?", fragt sich Antoaneta Zonewa, Leiterin der NGO Institut für die Entwicklung des öffentlichen Raums -und mit ihr wohl viele Bürgerinnen und Bürger. Im Moment ist sie am Zerfallen, doch ob sie in nächster Zeit wieder errichtet wird, ist heute die zentrale Frage in Bulgarien.

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