"Eine solche Partnerschaft ist inakzeptabel"

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Ulrike Lunacek, Grüne Nationalratsabgeordnete, über die afrikanische Wut auf Europa und einen "historischen Moment" beim Weltsozialforum in Nairobi.

Die Furche: Frau Abgeordnete, wie präsent war beim Weltsozialforum in Nairobi das Verständnis, eine Gegenveranstaltung zu Davos zu sein?

Ulrike Lunacek: Beim Weltsozialforum in Porto Alegre war dieser Eindruck stärker spürbar als jetzt in Kenia. Den meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Afrika war das Davoser Treffen überhaupt kein Begriff.

Die Furche: Obwohl als Gegenveranstaltung zum reichen Davos konzipiert, blieben aber auch in Nairobi die Ärmsten anfangs ausgesperrt.

Lunacek: Erstens, weil die Eintritte für Kenianer und Kenianerinnen aus den Slums viel zu hoch waren. Das verursachte wütenden Protest, bis die Organisatoren die Preise runtersetzten, bzw. bis ein italienischer Priester Tausende Eintrittskarten aus einer Druckerei "ausgeliehen" und verteilt hat. Zweitens war auch die Verpflegung zu teuer und die Forderung "Mahlzeiten für alle!" wurde laut.

Die Furche: War trotz dieser Schwierigkeiten eine Aufbruchstimmung besonders für Afrika spürbar?

Lunacek: Dieser Eindruck war sehr stark, vor allem, weil sehr viele afrikanische NGOs und religiöse, besonders christliche, Organisationen zu diesem Treffen gekommen sind. Das hat schon das Gefühl erzeugt, dass auch in Afrika Veränderung möglich ist. Sehr stark war auch die Kritik an der Europäischen Union ...

Die Furche: ... vor allem an den für dieses Jahr geplanten Europäischen Partnerschaftsabkommen (EPA) ...

Lunacek: ... die eine völlige Marktliberalisierung beinhalten. Dabei geht es darum, dass die afrikanischen Länder ihre Zölle für europäische Produkte und Dienstleistungen ratzeputz abschaffen. Wirkliche Partnerschaft gibt es aber nur bei zwei halbwegs gleich starken und gleichberechtigten Partnern. Das ist bei der EU und Afrika nicht der Fall.

Die Furche: Was wären die Folgen dieser so genannten Partnerschaftsabkommen?

Lunacek: Die lokalen afrikanischen Märkte würden noch stärker als bisher kaputt gemacht. Die afrikanischen Regierungen hätten aufgrund der Zollverluste weniger Steuereinnahmen und dadurch noch weniger Mittel als bisher für öffentliche Dienstleistungen wie Bildung oder Gesundheit zur Verfügung. Zudem gehen Arbeitsplätze verloren - und dann wundert man sich bei uns, wenn diese Menschen ihre Länder verlassen und nach Europa emigrieren.

Die Furche: Was müsste die Europäische Union für eine echte Partnerschaft unternehmen?

Lunacek: Die Subventionierung der Agrarexporte und die Subventionierung unserer Landwirtschaft gehören einfach abgeschafft. Doch das ist in der EU mehr als schwierig - schon EU-Agrarkommissar Franz Fischler hat sich daran die Zähne ausgebissen.

Die Furche: Was sind konkrete Ergebnisse des Treffens in Nairobi?

Lunacek: Zum einen stellten die afrikanischen Organisationen und Parlamentarier klar: Diese Partnerschaftsabkommen, wie sie derzeit verhandelt werden, sind inakzeptabel - es wird zu noch größeren Massenprotesten dagegen kommen. Zum anderen hat in Nairobi ein wirklich historisches Ereignis stattgefunden: Kenianische Schwulen-und Lesben-Organisationen haben zum ersten Mal in Afrika öffentlich Homosexualität thematisiert. Und das auf einem Kontinent, wo Homosexualität noch in vielen Ländern mit drakonischen Strafen geahndet, bzw. von Staatschefs als "unafrikanisch", als "koloniales Erbe" oder als in Afrika einfach nicht existent verleugnet wird.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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