Spagat zwischen Welten

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Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde darüber diskutiert, wie man das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft wieder aufbauen könne; auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre dagegen ging es um faire Ressourcenverteilung und Menschenrechte.

Alles andere als einig waren sich die Teilnehmer des am Dienstag zu Ende gegangenen 33. Weltwirtschaftsforums in dem Schweizer Nobelschiort Davos über die globalen Wirtschaftsaussichten. Während die Vertreter der Politik, darunter US-Handelsminister Donald Evans und der französische Wirtschaftsminister Francis Mer, durchaus zuversichtlich waren und an ein langfristiges Wachstum glaubten, forderten Ökonomen und Unternehmer in erster Linie kurzfristige Maßnahmen. Vor allem eine geringere Steuerbelastung sowie ein Vorantreiben der Deregulierung seien nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln.

"Vertrauen bilden"

Vor dem Hintergrund der Bilanzskandale in den USA berieten die Teilnehmer des Forums, das heuer unter dem Motto "Vertrauen bilden" stand, auch darüber, wie das öffentliche Vertrauen in die Wirtschaft wieder hergestellt werden könne. Der ehemalige Rechtsberater des Markenartikel-Herstellers Unilever, Jaap Winter, erklärte: "Die Wirtschaft kann heute nicht mehr einfach sagen: Vertraut uns, wir machen schon das Richtige.'" Heute fordere die Öffentlichkeit Aufklärung überdas Handeln der Unternehmer.

Überschattet wurde das Treffen von der Irak-Krise. US-Außenminister Colin Powell betonte, die USA würden zwar einer diplomatischen Lösung den Vorrang einräumen, seien jedoch notfalls auch im Alleingang zum Krieg bereit.

Das Interesse österreichischer Politiker und Wirtschaftstreibender an dem Gipfel mit rund 2.000 Teilnehmern war gering: Obwohl Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein offiziell eingeladen waren, blieben beide dem Treffen fern. Sie seien in Zeiten der Sondierungsgespräche in Österreich unabkömmlich, lautete die Begründung aus dem Büro des Wirtschaftsministers. Und von Seiten der Veranstalter hieß es, es seien auch keine österreichischen Unternehmer auf der Teilnehmerliste.

"Eine andere Welt"

Dafür, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht die Interessen multinationaler Unternehmen, sondern die Menschen in den Mittelpunkt stellen, traten zeitgleich mit dem Wirtschaftsforum rund 100.000 Menschen auf dem Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre ein. Unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" wurde in hunderten Arbeitsgruppen, bei Podiumsdiskussionen, Seminaren und Vorträgen die Humanisierung der Globalisierung thematisiert. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Forderung nach einem Schuldenerlass für Entwicklungsländer, Menschenrechte und Demokratie sowie das Eintreten gegen militärische Konflikte.

In Porto Alegre waren auch einige Österreicher, etwa Gewerkschaftsvertreter und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen, unter den Teilnehmern. Das Interesse der österreichischen Politiker an der Massenveranstaltung war allerdings auch in diesem Fall nicht besonders groß: Als einzige Parlamentarierin war die Grüne Abgeordnete Ulrike Lunacek in Brasilien: "In Österreich ist die Konzentration auf die Innenpolitik so groß, da wird die Globalisierung vor allem im Parlament viel zu wenig thematisiert. Ihre Auswirkungen auf internationale Strukturen werden kaum gesehen", bemängelt die Abgeordnete.

Sie sei mit dem Ziel nach Porto Alegre gefahren, Impulse für ihre Arbeit zu bekommen und "gemeinsam mit Personen der Zivilgesellschaft als auch mit Abgeordneten aus lateinamerikanischen und europäischen Ländern Strategien zu entwickeln" (Lunacek).Vor allem im Hinblick auf das im September dieses Jahres stattfindende Ministertreffen im mexikanischen Cancun im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), bei dem es unter anderem um den äußerst umstrittenen freien Handel mit Dienstleistungen gehen wird, werde es eine Vernetzung der Aktivitäten geben.

Das Weltsozialforum fand heuer zum dritten Mal statt, nachdem es im Jahr 2001 als Gegenveranstaltung zum World Economic Forum in Davos gegründet worden war. Dabei stellte die enorme Beteiligung dieses Jahr die Veranstalter vor bisher unbekannte Probleme: Rund tausend Teilnehmer mussten etwa bei den Reden des uruguayischen Schriftstellers Eduardo Galeano, des Befreiungstheologen Leonardo Boff und des Schweizer Schriftstellers und Politikers Jean Ziegler abgewiesen werden, weil der Andrang zu den Vorträgen zu groß war.

Die große Delegiertenzahl ist es auch, die bei einem weiteren österreichischen Teilnehmer, dem Bildungssekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in Oberösterreich, Josef Wall-Strasser, rückblickend Skepsis aufkommen lässt. Zum möglichen Nutzen des Treffens befragt, meint der Gewerkschafter: "Es hieß ja offiziell, dass es heuer um Strategien gehen solle, wobei ich da eher vorsichtig bin, weil es schwierig ist Strategien festzulegen, wenn bei einer einzelnen Veranstaltung 30.000 Leute dabei sind." Trotzdem seien auch seine Erwartungen erfüllt worden, berichtet er begeistert: "Ich habe Kontakte geknüpft mit Leuten, die sich dort um Menschenrechtsfragen in multinationalen Konzernen kümmern, mit Gewerkschaftern. Und hier zu kooperieren, das ist mein ganz konkretes Anliegen für die Gewerkschaftsarbeit." Vor allem aber sei es auch wichtig, einmal die Welt aus der Sicht der südlichen Länder kennen zu lernen. Zum Beispiel sei der brasilianische Staatspräsident Luiz Inacio "Lula" da Silva eine Person, an der momentan sämtliche Hoffnungen des südlichen Kontinentes hingen. Wall-Strasser: "Das begreift man bei uns gar nicht."

Einer der Höhepunkte der Veranstaltung war dementsprechend auch der Auftritt von da Silva, der in einer flammenden Rede die Industriestaaten zum Kampf gegen Armut aufrief. "Ich möchte der Welt sagen, wie wunderschön diese Welt wäre, wenn nicht so viel Geld für Waffen ausgegeben würde und statt dessen Brot, Bohnen und Reis gekauft würden, um den Hunger auszumerzen", sagte der Präsident von Brasilien, wo rund 45 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben.

Brückenschlag

Er war es auch, der den Brückenschlag zwischen den Veranstaltungen in Porto Alegre und Davos schaffte, indem er auch am Wirtschaftsforum teilnahm und dort seine Forderung nach dem weltweiten Kampf gegen den Hunger wiederholte. "Lula" stieß dabei auf offene Ohren, denn der Kampf gegen Armut war ohnehin auch in Davos ein Thema.

Die Abgeordnete Ulrike Lunacek betrachtet diese teilweise Ähnlichkeiten in den Themen allerdings skeptisch: "Die Zielsetzung mag ähnlich sein, aber dass sich im Verhalten der großen Unternehmen tatsächlich etwas ändert, habe ich noch nicht gesehen. Zum Beispiel, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr vom Zugang zu Wasser, Nahrung, Bildung und Gesundheitseinrichtungen ausgeschlossen wird." Aber immerhin würden diese Probleme mittlerweile auf dem Weltwirtschaftsforum thematisiert. "Ohne den Einfluss des Weltsozialforums hätte es diese Öffnung nicht gegeben", so Lunacek.

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