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Digital In Arbeit

Kein blauer Brief für die Putzfrau

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Der Portier kommt von der Wachgesellschaft. Die Putzfrau vom Reinigungsdienst, der Lieferant von der Spedition: Mit Auslagerung von Unternehmenstei- len wollen viele Firmen Personalkosten sparen. Spezialunternehmen arbeiten oft billiger als die Stammbelegschaft, mit ihren Ansprüchen auf Sozialleistungen, Pensionen und im Lauf der Jahre angewachsenen Löhnen. Dieser simple Prozeß mit den klingenden Namen „Outsourcing“ konnte jetzt durch ein höchstgerichtliches Urteil behindert werden: Der Europäische Gerichtshof hat einer Putzfrau recht gegeben, die auf Weiterbeschäftigung zu alten Bedingungen geklagt hat.

Jahrelang hatte die 45jährige Christel Schmidt die Zweigstelle der Sparkasse in Norddeutschland geputzt. Dann ereilte sie der blaue Brief: Kündigung. Eine Reinigungsfirma war billiger, sie würde künftig die Arbeit von Christel Schmidt machen.

Die Putzfrau ließ sich das nicht gefallen und ging vor Gericht. Dabei bezog sich ihr Anwalt auf eine EU- Richtlinie, wonach Arbeitnehmeransprüche beim Übergang von Betrieben oder Betriebsteilen an neue Besitzer gewahrt bleiben. Und das Gericht wandte sich fragend an den Europäischen Gerichtshof: Gilt die Richtlinie der EU auch in diesem Fall? Der Europäische Gerichtshof sagte: Ja, sie gilt. Die Richtlinie soll die Arbeitnehmer schützen, wenn ihr Unternehmen den Besitzer wechselt oder Unternehmensteile verkauft werden. Die Arbeitsverträge müssen auch vom neuen Eigentümer weitererfüllt werden.

Der Europäische Gerichtshof stellte nun fest, daß auch einzelne Dienstnehmer als Betriebsteile anzusehen sind. Der neue Arbeitgeber muß die Putzfrau Christel Schmidt daher nicht nur weiterbeschäftigen, sondern noch dazu zu den alten Bedingungen.

Was das alles mit Österreich zu tun hat? Nun, Österreich hat die EU- Richtlinien ins heimische Recht übernommen. Der Beschluß des Europäischen Gerichtshofes ist daher eine Vorgabe auch für die künftige österreichische Rechtssprechung.

Nicht nur Putzfrauen, auch Portiere, Werbeleute, Daten Verarbeiter,

Hausarbeiter, LKW-Chauffeure, Hausboten — sie alle haben jetzt im Falle der Ablösung durch eine Fremdfirma große Erfolgschancen, wenn sie gegen ihre Kündigungen anfechten. Wenn es überhaupt soweit kommt.

In der Rechtsabteilung der Arbeiterkammer erwartet Rita-Maria Kirschbaum, daß sich Personalchefs jetzt solche Auslagerungskündigungen genauer überlegen werden. Und daß Fremdfirmen davor zurück- schrecken werden, für gekündigte Mitarbeiter einzuspringen. — Schließlich riskieren sie, daß sie per Klage zur Weiterbeschäftigung der eingesessenen Mitarbeiter zu deren höheren Bezügen gezwungen werden. Wenig alarmiert ist man dagegen beim anderen Sozialpartner, der W irtschaftskammer.

Rechtsexperte Miklau weist darauf hin, daß in Österreich schon jetzt starke Betriebsräte über die Rechte ausgelagerter Mitarbeiter wachen würden. Daher seien auch kaum Hindernisse für künftige Auslagerungen zu erwarten. Anders ist das allerdings in vor allem kleineren Firmen ohne Belegschaftsvertretung: Deren Arbeiter erhalten durch das Luxemburger Urteil jetzt mehr Rechtssicherheit. Sie können beim Arbeits-Gericht auf Weiterbeschäftigung klagen.

Der Autor ist Journalist.

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