Kopflose Banker in Athen

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Der Kommissar Kostas Charitos hat ein Problem. Er muss sich ein neues Auto kaufen, denn sein altes - ein Fiat Mirafiori - ist reif für den Schrottplatz. Nachdem seine Kollegen ein japanisches Auto empfohlen haben, sein Chef ihm zu einem Volkswagen oder Peugeot rät, hört er schließlich auf seinen Schwiegersohn, der ihm einen Seat Ibiza empfiehlt. Warum? "Aus Solidarität. Die Spanier stecken doch momentan genauso in der Klemme wie wir“, erklärt der Kollege. "Zusammen mit Portugal, Italien und Irland zählen wir doch zu den PIIGS-Staaten. Aber im Schweinestall lebt es sich immer noch besser als im Haifischbecken. Bislang haben wir versucht dort mitzuschwimmen, aber wir sind kläglich abgesoffen. Schweine können eben nicht schwimmen.“

Wut, Demonstrationen, tote Banker und ein spießiger Kommissar

Die Griechenlandkrise ist in der Literatur angekommen: Petros Markaris, der auch die Eröffnungsrede der Buch-Wien-Messe in November hält, wurde 1937 in Istanbul geboren und wirft mit seinem kurzweiligen Roman "Faule Kredite“ einen mitleidlosen Blick auf sein marodes Heimatland. Athen im Sommer 2010: Kommissar Kostas Charitos bahnt sich seinen Weg durch Staus und Demonstrationen. Charitos sucht einen Killer, der nacheinander Banker auf kaltblütige Art ermordet - er enthauptet sie. Gleichzeitig erscheinen in den wichtigen Zeitungen des Landes Anzeigen, die zum Boykott der Banken aufrufen - man möge ihnen die Kredite einfach nicht zurückzahlen, schließlich hätten sie genug Geld. Das bedeutet für Kommissar Charitos und die Athener Polizei mehr Arbeit und Hektik als je zuvor. Geduld und Sorgfalt wären angesagt, doch dafür hat niemand Zeit. Denn Zeit ist Geld und Geld gibt’s keines.

Die Krise trifft inzwischen jeden, auch diejenigen, die sich in Sicherheit wähnten - Charitos steckt mittendrin: Seine Tochter findet trotz abgeschlossenem Jurastudium keine Arbeit, sein Schwiegersohn muss einschneidende Gehaltskürzungen verdauen und bei seiner Dienststelle wird an allen Ecken und Enden gespart.

In Markaris’ mittlerweile sechstem Krimi wird nicht nur ein Mordfall vor dem Hintergrund der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise beschrieben, sondern ein Land in Verzweiflung, Zynismus und Ratlosigkeit trefflich porträtiert. Bissig wird der Roman vor allem durch seinen Hauptcharakter. Charitos ist eher ein einfacher, zynischer Bürger, als ein politisch denkender, engagierter Kommissar. In einer Welt voller Korruption, Vetternwirtschaft und Inkompetenz versucht er eigentlich nur seinen Job zu machen. Doch etwas Gutes hat die Krise: Charitos darf erst mit 60 statt mit 55 Jahren in Pension gehen. Seine Fans können also gespannt sein. Das zweite Band soll Anfang nächsten Jahres erscheinen.

Faule Kredite

Ein Fall für Kostas Charitos. Von Petros Markaris,

Diogenes 2011.

396 Seiten, geb., e 23,60

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