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Digital In Arbeit

Musterschüler im Sozialbereich

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Nur wenige Unternehmer sind bereit, Frauen den Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Karenz leichter zu machen. Einige wenige haben dabei jedoch die Nase vorn.

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Nur wenige Unternehmer sind bereit, Frauen den Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Karenz leichter zu machen. Einige wenige haben dabei jedoch die Nase vorn.

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Bei uns ist es zur Kultur geworden”, antwortet Harald Gutschi, Personalleiter des Unternehmens Neckermann Versand, als er auf die zahlreichen frauen- und familienfreundlichen Maßnahmen in seinem Betrieb angesprochen wird.

Nur wenige österreichische Unternehmen setzen Möglichkeiten für einen frauenfreundlichen Arbeitsplatz erfolgreich um. Wahrscheinlich mit ein Grund dafür, daß „Neckermann Versand” in Graz heuer gleich zweimal für seine auffallend sozialen Leistungen ausgezeichnet wurde. So erhielt das Unternehmen Anfang Juli die „Bose der Anerkennung” für besonders frauen- und familienfreundliches Verhalten vom Verband der Akademikerinnen Österreichs, nachdem es vom Initiativkomitee „Paten statt Worte” der Steiermärkischen Landesregierung schon im Februar zum frauen- und familienfreundlichsten Betrieb der Steiermark gekürt wurde.

Auszeichnung für Frauenfreundliche

In den vergangenen Jahren wurde die „Bose der Anerkennung” verliehen an Betriebe wie die Bosenberger Baststätten für ihre Ladyzimmer, die Nordstern Versicherung für den Lady-Tarif in der Kfz-Versicherung sowie an das Unternehmen Spar, in der ein hoher Frauenanteil in Filialleiter-Positionen vertreten ist.

Ausschlaggebend für den sozialen Wandel bei „Neckermann Versand” war eine Imageuntersuchung der eigenen Kunden. Als die Untersuchung ergab, daß sich die Zielgruppe hauptsächlich aus Familien mit Kindern zusammensetzt, wurde auch das eigene Personal einmal gründlich unter die Lupe genommen. Die genaue Kenntnis der Kundenstrukturen führte dazu, daß bei Maßnahmen und Entscheidungen ab sofort auch im eigenen Betrieb auf die Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und deren Familien Bücksicht genommen wurde. Dazu Gutschi: „Wenn bei uns eine Mutter von zwei Kindern anruft und Auskunft über Babykleidung bekommen möchte, so funktioniert der Informationsaustausch einfach besser, wenn auch am anderen Ende der Leitung eine Mutter sitzt.”

Doch allein an den Ergebnissen einer Imageuntersuchung liege es nicht, gibt Gutschi im Gespräch mit der furche zu. Es sei eine reine Willensfrage. Neckermann Versand habe sich entschlossen, soziales und ökologisches Handeln anzustreben.

Bleibt nur noch ein Argument vieler Betriebe, die sich bisher weigerten derartige Maßnahmen zu ergreifen: die finanzielle Belastung. Aber: „Die Kosten sind lächerlich”, widerlegt Gutschi diese Ausreden.

Der Wandel im Unternehmen habe zahlreiche positive Auswirkungen gebracht, die sich auch auf der Einnahmenseite bemerkbar machen:

So liege die Krankenstandsquote im Jahresschnitt zwischen drei und vier Prozent, was sehr niedrig wäre, bei einer Gleichverteilung von 50:50 zwischen Arbeitern und Angestellten. Auch ein beispielhafter Teamgeist habe sich entwickelt.

Eine motiviertere Belegschaft trägt diese Zufriedenheit auch nach außen. Das Unternehmen „Teleperfor-mance” hat „Neckermann Varsand” mittels geheimer Anrufe getestet und die Mitarbeiterinnen zu den freundlichsten Telefonistinnen Österreichs gekürt.

Nun stellt siph also nur mehr die Frage, welche „Wunderpillen” hinter solchen Erfolgen - deren Kosten noch dazu als lächerlich bezeichnet werden - stecken. Die Beihe der Maßnahmen klingt unglaublich. Beinhaltet sie doch:

■ ein drittes Karenzjahr, in dem die arbeitsrechtliche Absicherung, aber auch alle anderen sich aus dem Gesetz oder* Kollektivvertrag ergebenden Ansprüche gewährt bleiben;

■ Kostenersatz einer Tagesmutter von 75 Prozent, sollte die Betreuungsperson für ein Kind eines/r Mitarbeiterin ausfallen;

■ definierte Mütterarbeitsplätze, die ausschließlich für Mütter mit Kleinkindern freigehalten werden um diesen eine Vormittagsteilzeitarbeitsstelle bis zum zwölften Geburtstag ihres Kindes anzubieten;

■ Gleichberechtigung bei Einstellung und Beförderung: bei vorherrschenden Hierarchieebenen ist der Anteil zwischen Männern und Frauen exakt gleich verteilt. 50 Prozent aller Führungskräfte des Hauses sind daher Frauen.

Zu den zahlreichen weiteren Punkten zählen beispielsweise auch vergünstigte Menüs aus der Kantine zum Mitnach-hausenehmen für die Kinder alleinerziehender Mütter oder Väter.

„Ein vorbildliches Programm, von dem man in den meisten Betrieben nur träumen kann.” So lautet die Beaktion von Sozialarbeiterinnen, die sich sehr intensiv mit dem Wiedereinstieg von Frauen in die österreichischen Unternehmen beschäftigt haben.

Auch der Verband der Akademikerinnen Österreichs äußerte bei der Überreichung der „Bose der Anerkennung” den Wunsch, daß diese in der Praxis bereits erprobten frauen- und familienfreundlichen Maßnahmen auch in anderen Betrieben zum Einsatz kämen.

Auf dem direkten Weg fordert das auch der Personalleiter von „Neckermann Versand” Harald Gutschi selbst. „Wir haben in unserem Unternehmen damit angefangen. Allein bei den derzeitigen Maßnahmen wird es nicht bleiben. Es kommt so viel positive Stimmung zurück, daß einfach daran weitergearbeitet werden muß.” Bei „Neckermann Versand” schaukle sich diese Initiative von selbst immer weiter auf. „Doch wir sind noch auf der Suche nach familienfreundlicher Konkurrenz”, redet Gutschi seinen Mitbewerbern ins Gewissen.

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