Sand ins Getriebe der Kapitalmärkte streuen

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Die Tobin-Steuer würde die Finanzmärkte stabilisieren und könnte zentrale Quelle für die Armutsbekämpfung werden.

Die Globalisierungsgegner fordern eine globale Steuer. Die Globalisierer sind dagegen. Die Globalisierungsgegner wollen die Finanzmärkte stabilisieren. Die Globalisierer wehren ab. Die Globalisierungsgegner fordern Steuergerechtigkeit und die Bekämpfung der Armut. Die Globalisierer sagen "Njet!" Die Frage ist: Wer sind hier die Globalisierungsgegner?

Seit der Asienkrise besteht Konsens, dass kurzfristige Kapitalströme eine der Hauptursachen für die Instabilität der Wechselkurse sind. Zur Stabilisierung des Weltfinanzsystems müssten daher kurzfristige Kapitalbewegungen, so genanntes "hot money", das keine realwirtschaftliche Funktion übernimmt, erschwert werden.

Die Tobin-Steuer würde wie ein Filter wirken: Sie hält das unerwünschte "hot money" zurück, ist aber durchlässig für Handelsgeschäfte und langfristige Investitionen. Spekulative Transaktionen (Überliquidität) werden abgebaut, Kapitalströme entschleunigt. Es geht darum, "Sand ins Getriebe" zu streuen (Tobin), nicht das Getriebe zum Stillstand zu bringen.

Die Tobin-Steuer würde nicht nur die Finanzmärkte stabilisieren helfen, sondern sie könnte auch zu einer zentralen Quelle für die globale Armutsbekämpfung werden: Bei einem Steuersatz von 0,25 Prozent wären - selbst wenn das Volumen der Devisentransaktionen um die Hälfte zurückginge - Einnahmen in der Höhe von 250 Milliarden Dollar zu erwarten. Für die Beseitigung der schlimmsten Armut und der gravierendsten Umweltschäden wären laut UNO jährlich 225 Milliarden Dollar nötig.

Verteilungspolitisch ist die Tobin-Steuer ein Hit: Sie setzt bei den Globalisierungsgewinnern an, die aus kurzfristigen Wechselkursschwankungen Profite machen - oft zu Lasten der Ärmsten, wie die Serie von Finanzkrisen zeigt. Während die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter aufreißt, geht die Entwicklungshilfe der Industrieländer zurück (seit 1980 von 0,35 auf 0,22 Prozent ihres BIP). Vor diesem Hintergrund ist ein Instrument für die Bekämpfung der globalen Armut mehr als gerechtfertigt.

Die Gegenargumente sind schwach. Die Tobin-Steuer sei technisch nicht machbar, heißt es. Nicht logisch. Sobald man eine Devisentransaktion durchführen kann, kann man sie besteuern. Das würde so funktionieren wie die Spesenabbuchung bei einer Überweisung vom Gehaltskonto. Nächstes Kontra-Argument: Die Steuer nütze nichts, solange nicht die ganze Welt mitmache. Drei Viertel aller Devisentransaktionen finden in sechs Ländern statt. Bei 88 Prozent aller Devisengeschäfte ist der Dollar, Euro, Yen, Franken oder das Pfund beteiligt. Diese könnten den Anfang machen. Ja, die EU würde schon ausreichen. Davon abgesehen: In London wird im Alleingang eine Transaktionssteuer auf alle Wertpapiergeschäfte eingehoben, ohne dass der Finanzplatz London dadurch gestorben wäre.

Das Lieblings-Gegenargument ist, dass eine Steuer im Promillebereich nichts gegen spekulative Attacken ausrichten könne, die eine 30- oder 40-prozentige Abwertung zum Ziel hätten. Das soll sie auch gar nicht. Gegen spekulative Angriffe gibt es andere Instrumente. Das Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte, ATTAC, fordert einen umfangreichen Instrumenten-Mix zur Stabilisierung der Finanzmärkte, nicht nur die Tobin-Steuer. Was diese sehr wohl kann: Die Tastversuche im Vorfeld einer spekulativen Attacke neutralisieren.

Das vielleicht schwerwiegendste Argument gegen die Tobin-Steuer: Sie beschneidet die Macht der Finanzmärkte. Eine grausame Vorstellung für jenen Wirtschaftssektor, der sich in letzter Zeit am erfolgreichsten einer demokratischen Steuerung entziehen konnte. Die Finanzmärkte bestimmen in zunehmendem Maße - aber ohne jede demokratische Legitimation - die globale Wirtschaftspolitik, zum Schaden der Allgemeinheit. Es lohnt sich, etwas zu tun.

Der Autor ist freier Publizist und Mitbegründer von ATTAC Österreich.

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