7093442-1994_38_05.jpg
Digital In Arbeit

Österreichs Fenster in den Weltraum

19451960198020002020

Weltweite Umweltprobleme erfordern globale Forschungsanstrengungen. Modernste Technologie hilft bei der Erdbeobachtung aus dem Weltall.

19451960198020002020

Weltweite Umweltprobleme erfordern globale Forschungsanstrengungen. Modernste Technologie hilft bei der Erdbeobachtung aus dem Weltall.

Werbung
Werbung
Werbung

Der anspruchsvollste Erdbeobachtungssatellit unter den derzeit 2.400 kreisenden künstlichen Himmelskörpern ist europäischer Bauart. Er wurde von der ESA (European Space Agency),*der 14 europäische Länder — darunter auch Österreich - angehören, entwickelt. ERS-1 wiegt über zwei Tonnen und mißt in voll ausgefahrenem Zustand fast zwölf Meter. Der große „Vogel“ umkreist die Erde alle 100 Minuten in 780 Kilometer Höhe. Jede Sekunde sendet er dabei die unvorstellbare Menge von 120 Megabyte Daten zur Erde. ERS-1, im Juli 1991 ins All geschickt, wird 1995 am Ende seines Einsatzes sein.

ERS-2, der Nachfolgesatellit, wird derzeit im technischen Zentrum der ESA im holländischen Nordwijk letzten Tests unterzogen. Der vier Milliarden teure Satellit startet am 12. Jänner nächsten Jahres. Für einige Monate werden dann beide ERS-Satelliten Daten zur Erde senden. ERS- 2, im Prinzip baugleich mit ERS-1, hat zusätzlich ein neues Instrument an Bord, mit dem das Ozonvorkommen gemessen werden kann.

Für beide Satelliten hat die österreichische Industrie wesentliche Komponenten geliefert. So wurde das Radaraltimeter, ein „Wunderinstrument“, das aus der Satellitenumlaufbahn die genaue Höhe von Ozeanwellen mißt und vor Wirbelstürmen warnt, mit Hilfe von elektronischen Einrichtungen aus Österreich getestet. Für den Test, Zusammenbau und Transport des hochsensiblen ERS-1 zum Start lieferte die österreichische Industrie Spezialtrolleys und -Container.

Für ERS-2 bauten heimische Firmen das Mikrowellenradiometer. Dieses Gerät mißt den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre und ermöglicht die Präzisierung von Klimaanalysen.

Die kommerzielle Auswertung der Erdbeobachtungsdaten steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Georg Seretschy, Obmann von AUSTROSPACE, der Vereinigung zur Förderung der Weltraumindustrie in Österreich, ist jedoch überzeugt, „daß wir jetzt in der Erdbeobachtung den Kommerzialisierungsboom erleben, den wir in der Telekommunikation schon vor zehn Jahren hatten“. Firmen, die Rohdaten speziell für einen bestimmten Kunden auswerten, wachsen momentan sehr stark - vor allem in den USA.

Praktische Anwendungsmöglichkeiten gibt es auch für die ERS-Satelliten. Sie können zum Beispiel Tankschiffe, die auf offener See illegal ihre Tanks reinigen, aufspüren, eine Ölkatastrophe in ihrem ganzen Ausmaß erfassen und die Wirksamkeit der eingeleiteten Gegenmaßnahmen überprüfen. Eine großflächige Vegetationsüberwachung gibt über Umweltschäden Auskunft und informiert auch darüber, ob und wie die Rettungsaktionen greifen. Für die Schiffahrt ergibt sich ein wichtiges Anwendungsfeld in punkto Sicherheit durch das Aufspüren von Eisbergen und Packeisgrenzen.

Ähnlich wie bei der Telekommunikation ist auch bei der Erdbeobachtung die ganze Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten noch gar nicht absehbar. Deshalb ist es wichtig für die Österreicher, dabei zu sein, meint Seretschy, wenn die zukunftsweisenden Technologien entwickelt werden. Zwar kann sich jedes Land die Zukunftstechnologien einkaufen, vernünftiger wäre es allerdings, im eigenen Land eine Industrie aufzubauen, meint der Experte Seretschy.

Die Wertschöpfung bliebe so im eigenen Land.

Österreichs Weltraumbetriebe wickeln 85 Prozent der heimischen Weltraumaufträge ab, der Rest ist Forschung. Sie müssen daher unter industriepolitischen und nicht wie bisher unter forschungspolitischen Aspekten gesehen werden, fordert Georg Seretschy. Ein nationales Technologieprogramm sollte daher ins Leben gerufen werden und Österreichs Engagement bei der ESA-Eu- ropean Space Agency in einem eigenen Budgetposten seinen Niederschlag finden. Derzeit wird es aus dem ITF (Innovations- und Technologie-Fonds) finanziert, über den Wissenschafts- und Verkehrsministerium disponieren. Da die ursprüngliche Idee des Fonds Forschungsförderung und nicht technologieorientierte öffentliche Auftragsvergabe ist, entstehen Konflikte um die zur Verfügung stehenden Gelder. Rückendeckung bekommt Seretschy für seine Forderung auch in einer vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie des Wiener Industriewissenschaftlichen In- stitues (IWI). Darin wird bestätigt, daß mit dem österreichischen Weltraumengagement eine sehr leistungsfähige und interessante Industriesparte geschaffen wurde. Soll dieses „zarte Pflänzchen“ nicht vertrocknen, müssen die Beteiligungen an Weltraumprojekten stärker gebündelt und die Beteiligungshöhe Österreichs, im Rahmen seiner Wirtschaftskraft, angehoben werden. Das bedeutet eine mittelfristige Verdoppelung der Mittel von derzeit 400 auf 800 Millionen Schilling jährlich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung