Venus von Willendorf - © Foto: APA / Herbert Neubauer

Steinzeit: Das Rätsel der Venus

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US-Forscher werfen neues Licht auf die üppigen Venus-Statuen, die zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit zählen.

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US-Forscher werfen neues Licht auf die üppigen Venus-Statuen, die zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit zählen.

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Knapp 30.000 Jahre ist sie alt, und mit aktuellen Schönheitsidealen hat sie nichts gemein. Denn der Body-Mass-Index (BMI) der Venus von Willendorf wäre heute zweifellos zu hoch. Die elf Zentimeter große Statue aus der Altsteinzeit, die 1908 in der Wachau gefunden wurde und heute im Naturhistorischen Museum Wien zu bestaunen ist, zählt zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit. Und sie ist nicht allein: Venus-Figurinen aus jener Zeit wurden vielerorts gefunden. Seit fast zwei Jahrhunderten beschäftigen sie die Wissenschaft. Nun werfen amerikanische Forscher der Medizinischen Fakultät in Aurora, Colorado, neues Licht auf das Mysterium der seltsamen Statuen, die lange Zeit als archaisches Schönheitssymbol gesehen wurden: Der Schlüssel zum Verständnis der Venus liegt jedoch im Klimawandel der damaligen Zeit, wie die Autoren im Fachjournal Obesity erläutern.

Klimawandel und Nahrungsmangel

„Die übergewichtigen Frauen stammen aus dem eiszeitlichen Europa, wo man Fettleibigkeit auf keinen Fall erwarten würde“, so Studienleiter Richard Johnson. „Wir konnten zeigen, dass die Venus-­Statuen mit Phasen extremer Nahrungsknappheit zu tun haben.“ Es war eine Wärmeperiode, als sich vor rund 48.000 Jahren die ersten anatomisch modernen Menschen in Europa verbreiteten. Doch das Klima änderte sich: Die Temperaturen fielen, Schnee und Eis erschwerten die Jagd. Manche Jägergruppen starben aus, andere wanderten südwärts oder suchten Unterschlupf in den Wäldern.

Das war der prähistorische Moment, als die üppigen Frauen­statuen auftauchten – gefertigt aus Stein oder Elfenbein, Ton oder Horn. Manche von ihnen wurden wie ein Amulett auf einer Schnur getragen. Viele der Funde zeigen Gebrauchsspuren. Gut möglich, dass sie über Generationen von den Müttern an die Töchter weitergegeben wurden, wie die US-Forscher vermuten. Für ihre Studie maßen sie das Verhältnis der Taille zu Hüften bzw. Schultern. Und stellten fest, dass die dicksten Venusdarstellungen unweit eins­tiger Gletscher gefunden wurden, wie Johnson betont: „Die Fettleibigkeit war am höchsten in der Nähe des Eises, und nahm ab, als die Gletscher wieder zurückgingen.“ Angesichts der prekären Verhältnisse waren beleibte Frauen eher in der Lage, ihr Kind gut durchzubringen. Die Venus-Figurinen könnten daher mit spiritueller Bedeutung aufgeladen worden sein, um Mutter und Kind zu beschützen.

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