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Nicht ausgegoren

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Alle unsere naturwissenschaftlichen Errungenschaften, von der Atombombe bis zur Gentechnik, pflegen wir ethisch zu beleuchten, das Für und Wider abzuwägen, mit dem Vorteü des Akademischen im nachhinein.

Was rechtfertigt es, einen zwar nicht immer bekömmlichen, aber altbekannten Alkohol so unter die Lupe zu nehmen, zumal es weder technisch noch gastronomisch einen zusätzlichen Bedarf gibt?

Anlaß dieser Zeilen ist das Bemühen der derzeitigen Spitze des Bauernbundes, zuerst den unverkäuflichen Getreideberg zu Treibstoff zu vergären, dann aber den Ackersegen auf Dauer durch „Energiepflanzenbau” zu entschärfen. Die sittliche Grundlage von Landwirtschaft und Bauerntum als bekannt vorausgesetzt, bestehen gegen dieses Vorhaben drei ethische Einwände:

Erstens: Wie kann man Nahrungsmittel zu Treibstoff degenerieren, während anderswo gehungert und an Hunger gestorben wird? Das Gegenargument, ein Verschenken könne weder das Einkommen unserer Bauern verbessern noch den Hunger dauernd vertreiben, geht am Kern des Problems vorbei.

Unsere Uberschüsse an Nahrungsmitteln und der Hunger anderwärts haben dieselbe Ursache: das Stören ausgewogener wirtschaftlicher und ökologischer Systeme durch billige, sich nicht erneuernde Energie.

Ist sie in einem Land trotzdem zu teuer, versucht man sie selbst zu erzeugen. Das brasilianische Unternehmen „Alkohol aus Zuk-kerrohr” vernichtet die Fruchtbarkeit der tropischen Böden und gefährdet die Volksernährung vom eigenen Boden. Eine Weltwirtschaft auf ethischer Grundlage bedarf einer gerechten Energieverteilung, um solche Entartungen samt den ungleichen Ausbeuten anderer Rohstoffe zu verhindern.

Zweitens: Wohin führt der Abschied vieler Bauern vom Nährstand und ihr „Einstieg” in die Energiewirtschaft bei uns? In der Bundesrepublik werden Pläne besprochen, ein Zehntel der Ak-kerfläche den „Energieplantagen” zu widmen, sie mit Klärschlamm zu düngen und so für die Ernährung dauernd steril zu machen.

Das geht zwar über das Vorhaben bei uns hinaus, die Folgen sind aber spätestens im Krisenfall dieselben.

Unsere Uberproduktion kommt ausschließlich mit importierter Energie zustande. Wird uns diese entzogen, tauschen wir in kurzer Zeit Uberschuß gegen Unterernährung, zumal die hochgezüchteten Pflanzensorten größere Ansprüche stellen als jene von einst und die einseitig genutzten Äcker lange brauchen, bis sie ihre natürliche Fruchtbarkeit wiedergewinnen.

Drittens sollen Lebensfragen nicht mit kurzfristigen Opportunismus behandelt werden. Mit österreichischem Biosprit trägt man weder zur Unabhängigkeit der Wirtschaft nocht zur Verteidigung unserer Neutralität bei. Auch ist das Schützen von Wald und Umwelt ganz unglaubwürdig, wenn das Näherliegende und Mögliche nicht getan wird.

Die Bauern werden eine neue Rolle spielen, wenn das Versiegen von öl und Gas beginnt. Die Forschung weist aber in eine ganz andere Richtung als die Bauern-bundführer derzeit gehen. Einstweilen wären sie gut beraten, jene politische Energie, die sie für Biosprit verwenden, den Ölsaaten zu widmen.

Sie laufen sonst Gefahr, die Beziehung gerade zum besten Teil der Bauern zu verlieren und außerdem jene Bildungslücke von Menschen zu offenbaren, die selbst nie gehungert oder gearbeitet haben.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für

Geographie an der Universität Innsbruck.

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