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Vergiftet uns die Landwirtschaft?

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Die Landwirtschaft wird derzeit in alle Diskussionen über Fragen der Ökologie und Umwelt einbezogen, obwohl die seit Jahren in allen Industriestaaten durchgeführten und immer umfangreicher werdenden Rückstandsuntersuchungen von Lebensmitteln ergaben, daß eine sachgemäße Anwendung von Düngerund Pflanzenschutzmitteln keine nachteilige Auswirkung auf die Qualität der Nahrungsmittel hat, im Gegenteil, diese in vielen Fällen wesentlich verbessert. Ein internationales Symposium der Europäischen Wirtschaftskommission (ECE) befaßte sich heuer mit Fragen des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, wobei 18 europäische Staaten Vertreter aus Wissenschaft und Forschung entsandten.

Bei diesen Beratungen wurden die Gefahren von konzentrierten Massentierhaltungen besonders hervorgehoben, aber betont, daß eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft der Garant für die Produktion gesunder Nahrungsmittel sei. Die Notwendigkeit des Einsatzes mineralischer Dünger wurde unterstrichen, zumal die Menschheit ständig wächst und die Bevölkerung im Jahr 2000, realistischen Prognosen zufolge, sechs bis sieben Milliarden Menschen betragen wird. Gegenwärtig sind 3300 Millionen Tonnen Nahrungsmittel für den Bedarf der Weltbevölkerung erforderlich, die jährliche Zuwachsrate müßte 30 Millionen Tonnen betragen, wenn die Bevölkerung im angenommenen Ausmaß zunimmt.

Die hohen Flächenerträge des modernen Landbaues ermöglichen ein breitgefächertes Angebot an Nahrungsmitteln, so daß sich jeder Verbraucher eine Diät zusammenstellen kann, die seinen Wünschen und Bedürfnissen gerecht wird.

Durch sachgemäße Ernährung der Pflanze kann ihr Gehalt an qualitätsbestimmenden Inhaltsstoffen, wie Vitamine, Eiweiß und Minerälstoffe, in günstigster Weise beeinflußt werden. Dies hängt nicht von der mineralischen oder organischen Düngung ab, sondern vom ausgewogenen Angebot an Pflanzennährstoffen, wie es sich mit Hilfe der mineralischen Düngung verwirklichen läßt. Dementsprechend produziert der moderne Landbau Qualitätsprodukte, wie Prof. Dr. K. Mengel, Justus-Lie-big-Universität Gießen, auf einer Vortragsveranstaltung des Arbeitskreises Industrie-Landwirtschaft in Frankfurt am Main feststellte.

Uberdüngung ist möglich, sie schadet in den meisten Fällen dem Landwirt mehr als dem Verbraucher. Deshalb ist jeder Landwirt bestrebt, eine Uberdüngung zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang verdient aber ein Hinweis in der Regierungserklärung Bruno Kreiskys vom 19. Juni 1979 erwähnt zu werden, welcher sich mit rechtlichen Neuregelungen des Chemikalieneinsatzes beschäftigt. Kurz vor den Nationalratswahlen hatte bereits SPÖ-Klub-obmann Heinz Fischer die Verabschiedung eines Umweltgesetzes als vordringliches Anliegen in der neuen Legislaturperiode bezeichnet.

In einem interessanten Artikel, erschienen in der bundesdeutschen Zeitschrift „Agrarwirtschaft“ (Heft 4/79) schreibt der bekannte Agrar-wissenschafter und Autor des Buches „Die Landwirtschaft im nächsten Jahrzehnt“, Prof. Günther Wein-schenck von der Universität Stuttgart/Hohenheim über den biologischen Landbau:

„Die staatliche Agrarpolitik kann die Ausdehnung des alternativen Landbaues - so willkommen es ihr unter dem Gesichtspunkt der Marktentlastung auch sein könnte - kaum besonders fördern, weü die guten Absatzaussichten und die ökonomische Effizienz des alternativen Landbaues nicht auf objektiv meßbaren Qualitätsunterschieden, sondern teils auf weltanschaulich oder religiös bedingten Wertvorstellungen, zu einem vermutlich größeren Teil aber auf objektiv nicht begründbarer Angst und auf Unkenntnis beruhen. Sie hat aber auch/keinen Anlaß, der Ausdehnung des alternativen Landbaues entgegenzuwirken.“

Demgegenüber kann allerdings eine Untersuchung von Prof. W. Schuphan, Leiter der Speisenheimer Bundesanstalt für Qualitätsforschung, angeführt werden, der zwölf Jahre pflanzliche Erzeugnisse untersuchte und einen Vergleich zwischen organisch gedüngten und konventionell gedüngten Produkten angestellt hat. Dies ergab bei Gemüse bei erwünschten Stoffen wesentlich bessere Werte für die organisch gedüngten. Der Eiweißgehalt war Um 18, der Vitamin-C-Gehalt um 28 Prozent und der Gehalt wichtiger Elemente wie Kalzium, Kalium, Eisen und Phosphor ebenfalls wesentlich höher als bei mineralisch gedüngten Pflanzen.

Es ist gar keine Frage, daß in Zukunft in der Agrarproduktion verstärkt alle Probleme der Ökologie und einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung zu berücksichtigen sind. Das Modell eines integrierten Pflanzenschutzes, also die harmonische Abstimmung zwischen Chemie, Boden, mechanischen und biologischen Bekämpfungsmethoden ist in Österreich sehr weit fortgeschritten.

Es kann also keine Rede davon sein, daß uns die Landwirtschaft vergiftet, weil es keinen unbiologischen Landbau gibt, sondern nur verschiedene Möglichkeiten, Nahrungsmittel zu erzeugen.

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