Den Garten essen
FOKUSDer essbare Garten: Zum Frühstück Blumen
Regional, saisonal und vor allem kreativ: Die Änderung der Essgewohnheiten kann im eigenen Garten beginnen. Zu Besuch bei einem nachhaltigen Vorzeigeprojekt im Süden Irlands.
Regional, saisonal und vor allem kreativ: Die Änderung der Essgewohnheiten kann im eigenen Garten beginnen. Zu Besuch bei einem nachhaltigen Vorzeigeprojekt im Süden Irlands.
Das Bücherregal schwingt zur Seite und ein fröhliches „Hello, good morning!“ schallt durch den Raum. Kloe Wood, Besitzerin des „Botanical Bed and Breakfast“, betritt mit strahlendem Gesicht das Zimmer. Es ist acht Uhr, Frühstückszeit. Wood, die gemeinsam mit ihrem Partner Adam Carveth auf der anderen Seite der Regal-Tür wohnt, balanciert ein Tablett mit drei roten, bauchigen Schalen und einer duftenden Kanne Kaffee auf ihren Armen.
Elegant stellt sie alles auf dem großen Holztisch ab und beginnt zu erklären: „Was haben wir heute? Es gibt Porridge mit Fuchsienblüten und Heidelbeeren. Alles regional angebaut. Die Blumen wachsen gleich hinter dem Haus in unserem Garten.“ Tatsächlich wird die 35-jährige Gastgeberin auch an den kommenden Tagen kein Frühstück ohne bunte Blüten- und Blättergarnierung servieren. Das hat nicht nur mit Genuss und Ästhetik zu tun, hier geht es um große Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, Klimaresilienz sowie neue Ess- und Konsumgewohnheiten. Ein Aufenthalt hier ist mehr als eine normale Übernachtung im Urlaub. Es bedeutet das Eintauchen in einen magischen Kosmos von essbaren Blüten, Nesseln und Wurzeln. Auch ist das über hundert Jahre alte Haus mit seinen dicken Mauern weit mehr als eine normale Pension. Es ist Labor für diverse botanische und ökosoziale Projekte der „Two Green Shoots“, wie sich Wood und ihr Partner nennen.
„Ist das euer erster Aufenthalt in Glengarriff?“ fragt sie und deutet zum Fenster. Vom Haus aus sieht man bis zum Meer in die Bantry Bay. Sie ist eine von vielen Buchten im äußersten Südwesten Irlands. Fünf Landzungen greifen hier wie eine Hand in den Atlantik. Durch den Golfstrom gibt es rund um Glengarriff ein ganz besonderes Mikro-Klima mit subtropischer Vegetation. Das Schwimmen im Atlantik ist hier so warm wie ansonsten selten in Irland. Der Ort hat dafür eigens Badeplätze gebaut – direkt neben exotischen Baumriesen wie dem Arbus unedo, dem westlichen Erdbeerbaum. Viele Touristen verirren sich dennoch nicht nach Glengarriff, und wenn dann eher solche, die es gerne langsamer mögen. Dementsprechend bietet auch Wood einen Aufenthalt erst ab drei Nächten an. Die Reisenden sollen Zeit haben, sich mit der Natur hier vertraut zu machen. Sie hat dafür ein eigenes Konzept entwickelt, von dem sie auf einem Spaziergang nach dem Frühstück berichtet.
„Alternativ“ trifft „konservativ“
Kleine Steinpfade winden sich durch die üppig, zuweilen fast tropisch anmutende Vegetation des sogenannten „essbaren Gartens“. Gleich neben dem Eingang stehen jede Menge Kräutertöpfe. Vieles davon ist bekannt, aber einiges auch ein „Geheimtipp“, so etwa ein kleines schnittlauchartiges Gewächs mit rosa Blüten – der „Zimmerknoblauch“. „Diese Pflanze ist sehr widerstandsfähig und wächst überall im Garten“, sagt Wood. Man könne fast jeden Teil von ihr essen. Sie selbst streut die Blüten mit leicht süßlichem Knoblauchgeschmack gerne auf das Frühstücks-Omelett ihrer Gäste.
Während wir weiter spazieren, erzählt uns die Gastgeberin ihre eigene Geschichte. „Ich bin in vielen Gärten groß geworden“, sagt sie. Ihre Mutter sei Künstlerin gewesen, der Vater Kriegskorrespondent für den Mittleren Osten. Zusammen hätten sie ihre beiden Töchter frei und mit vielen Pflanzen und Tieren aufwachsen lassen. Als Wood 13 Jahre alt war, übersiedelte die Familie in genau jenes Haus, in dem Wood und ihr Partner heute leben. Gemeinsam renoviert die Familie das alte Cottage, das zu Beginn mehr einer Ruine ähnelt.
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