Des Wirrwarrs konnte nicht mehr sein. Der algerische Regimewechsel lag zu knapp vor dem Eröffnungstermin der afro-asiatischen Gipfelkonferenz von Algier. Trotz aller Garantieerklärungen und peinlichster „Nichteinmischung“ des neuen Regimes in die Ministerien und Dienste des alten im Hinblick auf das Staatschefstreffen ging es drunter und drüber. Dieses war freilich mehr durch technische Fehlplanung des konzentrierten Machtapparates Benbellas und die natürlichen Schocknachwehen nach dessen Sturz verursacht sowie durch die Uneinigkeit der afro-asiatischen Konferenzler, deren verschiedene
Durch einen fast geräuschlosen Staatsstreich wurde aus Algeriens Idol Benbella über Nacht ein gestürzter Tyrann, Hochverräter und teuflischer Scharlatan. In der Nacht vom 18. zum 19. Juni fuhr der Volksarmeeoberst Boumedienne seine neuesten Sowjetpanzer 54 vor Benbellas Amtssitz, der Villa Joly, vor dem Regierungssitz am berüchtigten Forum wie vor sonstigen strategischen Punkten der Stadt auf, unterstellte Polizei und Sicherheitsorgane eigenen Offizieren und besetzte das Radiohochhaus. Die Auffahrt von Panzern und Marschmusik am laufenden Band, unterbrochen von der stereotypen
Erstmals in der Geschichte des neuen Marokko wurde der Demonstration der Gewerkschafter in Casablanca ein überdimensionales Porträt vorangetragen, das nicht das des Königs war. Das im naiven Amateurstil angefertigte Gemälde zeigte den Mann, der vom Balkon des „Hauses der Arbeit“, dem Sitz der marokkanischen Großgewerkschaft UMT, das Defilee abnahm: Majoub-Ben-Sed-dik, seit zehn Jahren deren Generalsekretär. Noch vor einigen Monaten hätte der Palast diesen nicbtoffiziel-len Personenkult als Affront gegen die Monarchie betrachtet. Jetzt war man sich darin einig, daß das Porträt des
Die nordafrikanische oder „maghre-binische“ Entwicklung des ersten Quartals nach dem Jahreswechsel 1962/63 — dem ersten nach Algeriens Unabhängigkeitserklärung, von drei selbständigen Maghreb-Ländern registrierten — ist durch ein einzigartiges „Insichkehren“ der drei unterschiedlichen Staatsregime gekennzeichnet, begleitet von der gegenseitigen Isolierung und Abkehr vom Gedanken selbst eines lose „vereinten Maghreb“ oder auch nur einer gemeinsamen Haltung gegenüber der übrigen Welt. Nach der Aushebung angeblich komplottierender Regimegegner durch Burgibas
Sieben Tage nach dem offiziell „unaufgeklärten“ Attentat auf Ben Bellas Außenminister K h e m i s t i — dessen Körper weiter künstlich, jedoch hoffnungslos am Leben erhalten wird — legte Mohammed K h i d e r sein Amt als Chef des Politbüros und damit als Chef der im Umbau zur Senatspartei steckengebliebenen algerischen Freiheitsfront FLN, vor allem aber als „dritter Mann im Staat“ nieder. Die Gerüchte, welche die hinter Khider stehenden Kräfte schon vor seiner Demission mit dem Revolverschuß auf Ben Bellas Schützling Khemisti in Zusammenhang brachten, erhielten dadurch
Letzten Mittwoch bot sich den Seetouristen auf der „Constitution“ von der Genua mit New York gelegentlich unter Zwischenlandung an Marokkos Atlantikküste verbindenden amerikanischen „Export-Linie“ ein gratis zugegebenes Sonderschauspiel, als der mit Passagieren vollgepfropfte, nicht eben moderne, aber massige, qualmende Dampfer sich zum Ablegen an der Überseemole in Casablanca fertigmachte. Vom Pier bis zu dem in der Stadtmitte gelegenen Schloß der marokkanischen Hafengroßstandt — ein Absteigequartier der Cherifenkönige, wenn diese ausnahmsweise in Casablanca residieren — zog
Si El Hadj Mustapha gibt mit giftigem Blick den Eingang frei ins Innere der Koubba. Der finstere Mann ist Chef der Zaouia Rahmania von El Hamel, nicht weit von der Oase Bousaada, dem ehemaligen französischen Kolonialtouristenzentrum, rund 300 Kilometer südlich von Algier. Die „Koubba“ — Grabkuppel — birgt den Sharkophag eines mohammedanischen Heiligen, des „Marabouts“ Sidi Mohammed Ben Belkassem. Wie der Sarkophag aussieht, weiß niemand mehr; Jahr für Jahr schichten Pilger aus der südlichen Sahara Grabgeschenke in Form selbstgewebter Decken und Tücher auf den Toten, deren
Der neue algerische Staat ist noch weit davon entfernt, feste Konturen zu zeigen, und die starken Männer von Algier — Ben Bella, der Volksarmee-Oberst Boumedienne und der Chef des sogenannten Politbüros, Khider, wie deren junge Regierungsmannschaft — haben noch nicht die rechten Ansatzpunkte gefunden, das aus der Kriegszeit und der innenpolitischen Sommerkrise überkommene Chaos nach ihrem Konzept zu ordnen. Sie stehen noch gleichsam neben der widerspruchlichen und wenig ermunternden algerischen Wirklichkeit, und nicht in ihr. Wirtschaft und Verwaltung entfalten mangels Personal,