Man wird nicht darüber hinwegkommen, auch bei uns in Österreich darüber zu reden, wie wir uns dieses Mitbestimmungsrecht vorstellen, um nicht Gefahr zu laufen, dann ein Mitbestimmungsrecht annehmen zu müssen, das unseren Grundsätzen widerspricht. Es ist letzten Endes auch den deutschen Katholiken so ergangen, daß sie zwar wußten, was sie wollen, ihren Willen aber nicht durchführen konnten, so daß schließlich das Mitbestimmungsrecht von anderen zwar durchgeführt wurde, aber in einem Sinne, der den Forderungen des deutschen Katholikentages nicht mehr entsprochen hat.
Die Mitbestimmung ist meiner Ansicht nach untrennbar mit der Mitbeteiligung verbunden; ob nun mit der Mitbestimmung = Mitentscheidung begonnen wird, um zur Mitbeteiligung zu kommen, oder umgekehrt, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, daß eine Mitbestimmung nur durchgeführt werden kann, wenn mit ihr die Mitbeteiligung verbunden ist, und umgekehrt die Mitbeteiligung, wenn sie gleichzeitig ein Mitentscheidungsrecht beinhaltet. Wesentlich ist ferner, daß das Mitbestimmungsrecht im Betrieb nur von Betriebsangehörigen ausgeübt wird, wenn auch anerkannt werden muß, daß gesamtwirtschaftliche Interessen und vor allem die des Konsumenten schon im Betrieb gewährt werden müssen. Aus Mitbestimmungsrecht und Mitbeteiligung muß letzten Endes echtesMitunter- nehmertum erwachsen, das auch die Mitverantwortung einschließt.
In welcher Form das Mituntemehmer- tum durchgeführt wird, ist dann, wenn man sich einmal über die Grundsätze im klaren ist, keine entscheidende Frage mehr. Die Versuche in Deutschland haben von einer bestimmten Form abgesehen. Es scheint aber doch notwendig zu sein, eine solche bestimmte Form ins Auge zu fassen, da der Vertrag, den der Unternehmer mit der Belegschaft schließt, nicht mit jedem einzelnen geschlossen und bei Neueintritten immer wieder erneuert werden kann; es muß vielmehr daran gedacht werden, die Belegschaft als Vielheit von Personen in einer bestimmten Rechtsgestalt zusammenzufassen. Von den derzeit bestehenden Möglichkeiten ist zweifellos die Genossenschaftsform die geeignetste. Man könnte dabei an eine neue Form denken, die etwa eine Mischung von Aktiengesellschaft und Genossenschaft darstellen könnte.
Wenn sich das Mitbestimungsrecht jedoch nur im Betrieb auswirken würde, wäre dies zu wenig. Mit der betrieblichen Mitbestimmung muß auch die über betriebliche verbunden sein. Es wird heute von vielen Seiten das Kammersystem in Österreich sehr stark angegriffen und so hingestellt, als ob in den Kammern und nicht in den gesetzgebenden Körperschaften die Entscheidungen fallen würden. Der Vorwurf ist in dieser Formulierung zweifellos übertrieben. In unserem Kammersystem liegen Ansätze für eine echte berufliche Selbstverwaltung, durch die sich das Mitbestimmungsrecht überbetrieblich auswirken könnte. Es müßten aber die bestehenden Kammern von der Möglichkeit der Schaffung von Querverbindungen, die bereits in manchen Kammergesetzen verankert sind, Gebrauch machen und in paritätischen Ausschüssen der Interessenvertretungen das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht ausüben.
Das Mitbestimmungsrecht in der geschilderten Form leitet eine gerechte Vermögensverteilung in die Wege und verteilt Verantwortung organisch auf alle Teile der Gesellschaft. 70 Prozent "der Bevölkerung in Österreich leben von unselbständiger Arbeit, das heißt sie bestreiten ihren Lebensunterhalt nur von ihres Geistes oder ihrer Hände Arbeit. Sie stehen nun vor der Entscheidung, ob sie das Anliegen der Mitbestimmung vieler von ihnen zu einem Anliegen aller machen wollen, ob sie bereit sind, mit einem neuen Weg des Mitbestimmungsrechtes den Aufstieg zu wählen, neue Rechte, aber auch neue Pflichten zu übernehmen, oder ob sie diesen Weg ablehnen und damit vorziehen, den bisherigen Weg, in Unsicherheit zu leben, weiterzugehen. Es wäre verfehlt, das Mitbestimmungsrecht in eine bestimmte Form zwängen und damit auf einen Nenner bringen zu wollen, es muß sich vielmehr in möglichst vielen Varianten auswirken, um dem Leben und seinen Bedürfnissen möglichst nahe zu sein und um auch wirklich der Ausgangspunkt für eine neue Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft sein zu können.
