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Nuklearer Abfall ins Meer

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Es klingt abenteuerlich und umweltfeindlich, aber amerikanische Wissenschaftler, darunter auch namhafte Environ-mentalisten, sind felsenfest davon überzeugt, daß tödlicher Nuklearabfall aus Atomkraftwerken am besten, am sichersten in Meerestiefe aufgehoben ist. Sie haben dafür auch schon eine besonders geeignete Stelle in rund 4,5 Kilometer Tiefe entdeckt - im Pazifik, 900 Kilometer nördlich von Hawaii. Alle vorgesehenen und umstrittenen Lagerstätten in Amerika und Europa, darunter Gorleben und Moors-leben, würden überflüssig.

Federführend bei diesem Projekt ist Charles Hollister, Ozeanograph und Umweltexperte sowie Vizepräsident der international anerkannten Woods Hole Oceanographic Institution. Er hat das in Frage kommende „Stück” Meeresboden von der Größe Mitteleuropas ausfindig gemacht und auf „Herz und Nieren” geprüft. Besseres, so meint er, könne es für Nuklearabfälle gar nicht geben:

Über dem äußerst harten Basaltgestein in knapp fünf Kilometern Tiefe lagert seit Jahrmillionen nicht bewegter Schlamm, der sich Dutzende Meter hoch über dem Basalt auftürmt. Dieser Schlamm ähnelt einer Buttermasse, und in und um ihn leben nur wenige Formen primitiven Meeresgetiers wie Seegurken und Röhrenwürmer. Es gibt keinerlei Mineraldeposite, und Hunderte von Bohrtests ergaben, daß sich an dieser Stelle der Meeresgrund seit 65 Millionen Jahren weder bewegt noch verändert hat. Es hat hier weder vulkanische Aktivitäten noch tektonische Platten-Verschiebungen gegeben.

In den Schlamm schiessen

Hollister und seine „Mannschaft” haben auch bereits Pläne entwickelt, wie der gefährliche Nuklearmüll in der pazifischen Tiefe gelagert werden kann: Man könnte den Abfall in strahlengesicherte Behälter füllen, die die Form von Bomben oder Torpedos haben. Sie würden von Schiffen in die Tiefe „geschossen”, erreichen letztlich eine Geschwindigkeit von 75 Stundenkilometern. Das reicht, um etwa 35 Meter tief in den Schlamm einzutauchen, der sich über dem Basalt erhebt. Man könnte auch durch den Schlamm und in das Basaltgestein Schächte bohren und dort die Lagerung vornehmen. Beide Möglichkeiten gelten als absolut sicher, so die US-Wissenschaftler.

Wie überall, auch an Land etwa in Salzstollen, würden die Behälter mit den Nuklearabfällen irgendwann der Korrosion zum Opfer fallen und leck werden. Aber im tiefen Schlamm, so die US-Wissenschaftler, würden sich strahlende Massen unschädlicher geben als in jeder Art von Landlagerstätte.

Die Politik, und diese weltweit, wird es nicht leicht haben, die Öffentlichkeit von der Meereseinlagerung und ihrer Ungefährlichkeit zu überzeugen. Gesetze, und diese auch weltweit, sind zu ändern. Ein internationales Abkommen verbietet es den USA, radioaktive Substanzen dem Meer anzuvertrauen. Rasche Entscheidungen sind gefordert. Denn allein Amerika wird bis zum Jahr 2015 mehr als 70.000 Tonnen Nuklearmüll produziert haben, und in jedem folgenden Jahr kommen 2.000 Tonnen hinzu.

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