Berührende Einsichten eines Gehenden

Werbung
Werbung
Werbung

Pilgern boomt, wissen die Kirchen wie die Tourismusfachleute. Ein Buch von Markus Schlagnitweit entpuppt sich dazu als geistliche Schule des Gehens.

Pilgern ist in. Auf diesen Nenner können die Aussagen des Kärntner Diözesanbischofs Alois Schwarz gebracht werden, die dieser bei einer Pressekonferenz in Wien äußerte. Zum Auftakt der Pilgersaison stellte der Pilgerverantwortliche unter Österreichs Bischöfen das Projekt "Pilgern in Österreich“ vor, das seit 2007 vom Salzburger Anton Wintersteller entwickelt und geleitet wird. Schwarz bezeichnet es als bemerkenswert, dass sich in Österreich und ganz Europa in einer Zeit höchster Mobilität und schnellster Übertragungsmöglichkeiten von Daten und Informationen "viele Menschen zu Fuß auf den Weg machen“.

Ganz Österreich ist heute von einem Netz an Pilgerwegen durchzogen, Wintersteller stellte dazu eine "Pilgerkarte“ vor, auf der die Wege verzeichnet sind. Auch grenzüberschreitende Kooperation - zwischen Salzburg und Bayern, der Steiermark und Slowenien sowie dem Burgenland und Ungarn - gibt es längst. Auf der neugestalteten Webseite www.pilgerwege.at kann man sich auch online umfassend informieren.

Ein exemplarisches Pilger-Buch

Literatur zum Thema findet sich zuhauf im Buchangebot. Eine Neuerscheinung verdient besondere Aufmerksamkeit: Markus Schlagnitweit, Hochschulseelsorger in Linz sowie Wirtschafts- und Sozialethiker and der Katholischen Sozialakademie Österreichs, bezeichnet sein Buch "Boden unter den Füßen“ im Untertitel als "Aufforderung zur Unruhe“. Und er trifft damit den Kern seines Anliegens.

Seit mehr als 30 Jahren erwandert und "erpilgert“ sich Schlagnitweit große Strecken. Tausende Kilometer und unzählige Bergauf- und -abstiege hat er bereits in seinen Beinen. Es wird wenige geben, die sich so viel an Weltsicht und Spiritualität "ergangen“ haben wie Schlagnitweit.

Spiritualität? Ja. Religion? Gleichfalls. "Christsein ist keine Religion zum Sitzen, sondern vielmehr eine Religion ‚im Gehen’“, schreibt der Autor im Vorwort. Und diese Einsicht illustriert er dann auf knapp 200 Seiten.

Die Texte, die der Priester da seinen Lesern aufbereitet, sind zweigeteilt: Zum einen bietet er so etwas wie Wander-, Pilger- und Geherfahrungen an. Er erzählt da, wie er auf einem der Jakobswege von Sevilla nach Santiago geganggen ist - 1000 Kilometer in 31 Tagen: das gibt eine Vorstellung tder Dimension, die Gehen für Schlagnitweit bedeutet. In einem zweiten Teil folgen dann jeweils Betrachtungen anhand einer biblischen Begebenheit. Zum Erzählen über den Jakobsweg gibt es so die Auseinandersetzung mit jener Erhlung über Elija (1 Kön 19,1-8), wo der Prophet von Gott aufgefordert wird, nicht an seinem Rückzugsort zu verweilen, sondern weiterzuziehen. Schlagnitweit entwickelt aus dieser Geschichte eine Mediation übers Ankommen, das er als "kritischsten Moment“ einer Pilgerreise bezeichnet, es ist für ihn "der Moment, an dem sich Sinn oder Unsinn einer Wallfahrt entscheiden“. Gnadenorte, zu denen man pilgert, so seine Conclusio, sind Orte des Aufbruchs, sie laden "nicht zum Verweilen ein, sodnern weisen erneut die Tür“.

Rucksack im Leben, in der Kirche

Das beschriebene Beispiel zeigt, wie die Einsichten Schlagnitweits, dieses Gehenden, erwachsen sind und auf welche Weise sie mit den Erfahrungen, wie sie die Bibel erzählt, in Beziehung stehen. Das kann auch praktisch werden, wenn der Autor zum einen übers Rucksackpacken sinniert (jeder, der eine längere Wanderung wagt, kennt das Problem!) und dann anhand der Aussendungssrede bei Lukas (Lk 10,1-9), kritisch und unverblümt nachfragt, wie sehr das kirchliche Lehramt das religiöse Gepäck der Christen mit vermeintlich unaufgebbarer Tradition beschwert. So bietet der Band auch für Kirchenmüde Stoff zum Auftanken. Es zahlt sich aus, mit Schlagnitweit mittels dieses Buchs ein Stück des Wegs mitzugehen.

Boden unter den Füßen

Buchpräsentation. Moderation: Arnold Mettnitzer. Ort: Buchhandlung Herder, 1010 Wien, Wollzeile 33.

Montag, 19. März, 19 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung