Sozialethiker und Seelsorger

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Muss der Direktor der Katholischen Sozialakademie unbedingt ein Priester sein?" Auch dieser Frage musste sich Markus Schlagnitweit bei seiner Antrittspressekonferenz als neuer Leiter des kirchlichen Think Tanks fürs sozial- und wirtschaftspolitische Fragen gefallen lassen. Sozialethik, so die Antwort des 43-Jährigen, sei eine wesentliche Aufgabe auch für einen Seelsorger. Und er habe außerdem eine Spezialausbildung an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom absolviert, wo er 1995 beim bekannten Sozialethiker Johannes Schasching sj promovierte.

Schlagnitweit ist gebürtiger Oberösterreicher. 1982 trat er ins Linzer Priesterseminar ein, den Großteil seiner Studien absolvierte er in Rom, wo er 1989 zum Priester geweiht wurde. Nach Kaplans- und Studienjahren ernannte Bischof Maximilian Aichern Schlagnitweit 1997 zum Hochschulseelsorger in Linz; diese Tätigkeit wird er teilweise beibehalten.

Die Katholische Sozialakademie Österreichs engagiert sich sowohl in der kirchlichen Bewusstseinsbildung für soziale Fragen als auch in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung darüber. Das Ökumenische Sozialwort der Kirchen Österreichs, das Ende 2003 veröffentlicht wurde, wurde von der Katholischen Sozialakademie koordiniert, auch die institutionen-, parteien- und konfessionsübergreifende "Allianz für den freien Sonntag" wird von ihr wesentlich mitgestaltet.

Schlagnitweit folgt Alois Riedlsperger nach, der die Katholische Sozialakademie 22 Jahre lang geleitet hat. Auch er will keiner naiven Sozialromantik das Wort reden, sondern die Institution weiter im gesellschaftlichen Diskurs positionieren - und das heiße, mit der Industriellenvereinigung ebenso im Gespräch zu stehen wie mit den Globalisierungskritikern von attac. Schwerpunkt auch seiner Arbeit, so Schlagnitweit, wird das Engagement für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft sein: "Dass in Österreich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft, ist nicht im Sinn der Katholischen Soziallehre und weist auf einen Mangel an Solidarität in der Gesellschaft hin." Daran will der Sozialethiker und Priester arbeiten. Das erfordert auch Einmischung in die wirtschaftspolitische Debatte: Schlagnitweit nimmt etwa das österreichische Steuersystem aufs Korn, in dem die Unternehmens- und Vermögenssteuern im Vergleich zu Konsum- und Lohnsteuern zu niedrig seien.

Ein besonderes Anliegen ist dem neuen Leiter der Katholischen Sozialakademie das "ethische Investment", das Schlagnitweit als Möglichkeit ausgebaut sehen will, über die Veranlagung von Geld Entwicklungen in der Wirtschaft zu steuern. Dabei sind allerdings auch nachvollziehbare Standards notwendig, damit "ethisches Investment" auch wirklich die ethischen Kriterien des Wirtschaftens erfüllt. Die Entwicklung derartiger Standards ist Schlagnitweit auch ein persönliches Anliegen. ofri

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