Pilgern - © Foto: Beatrix Stiksel, www.bibelwerklinz.at

Mit der Bibel im Pilgerrucksack

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Strapaziöse Wege, fehlender Komfort, extremes Wetter – warum tun sich Pilger das an? Weil Pilgern mehr ist als Gehen und Erfahrungen von Aufbruch samt Neubeginn ermöglicht.

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Strapaziöse Wege, fehlender Komfort, extremes Wetter – warum tun sich Pilger das an? Weil Pilgern mehr ist als Gehen und Erfahrungen von Aufbruch samt Neubeginn ermöglicht.

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Weniger ist oft mehr. Wer pilgert, wird gut daran tun, diesen Ratschlag zu berücksichtigen und unnötigen Ballast daheim zu lassen. Schließlich muss alles über Stunden, Tage und Wochen hinweg auf den eigenen Schultern getragen werden. Kein Wunder also, dass die Bibel – weit über 1000 Seiten stark – in den unzähligen Packlisten, die in Broschüren und Internetportalen kursieren, gern übergangen wird. Abgesehen davon ist eine Pilgerreise alles andere als ein gemütlicher Leseurlaub.

Pilgern ist Beten mit den Füßen. Das mag irritieren, vor allem dann, wenn Gebet vorrangig als richtiges Aufsagen überlieferter Formeln (miss)verstanden wird. In biblischen Texten hingegen eröffnen sich im Gebet Räume für lebendige und dynamische Formen der Gottesbeziehung, die den ganzen Menschen – nicht nur seinen Intellekt – miteinschließen. Das zeigt sich auch entlang des Pilgerweges. Hier verdichtet sich vieles, was das Menschsein ausmacht: von hoffnungsvoll gesteckten Zielen und dem Aufbruch aus dem gewohnten Umfeld heraus, über Stunden der Einsamkeit, neue Gemeinschaften, eindrucksvolle Naturerlebnisse, körperliche Herausforderung und die Konfrontation mit den eigenen Grenzen bis hin zu Gipfelmomenten und einer glückenden Ankunft. Diese Grunderfahrungen werden immer wieder in den Schriften der Bibel aufgegriffen. Die 73 Bücher reflektieren mit den Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Zeit und Kultur diese Lebensereignisse im Licht des sich darin offenbarenden Gottes. Die Bibel ist damit mehr als nur theologische Spekulation oder abstrakter Gesetzestext, vielmehr verbindet sie Lebens- mit Gotteserfahrung. Analog dazu funktioniert der Pilgerweg, der den Gehenden viel Zeit zur Reflexion gibt und gleichzeitig selbst zur Herausforderung wird.

Jerusalempilger Jesus und Co

Biblische Erzählungen und Gebete sprechen von Menschen, die auch im heutigen Sinn als Pilgerinnen und Pilger bezeichnet werden können. Sie brechen allein oder in Gruppen auf und ziehen zu Fuß zu einem heiligen Ort wie Jerusalem oder Schilo. Zu ihnen gehört etwa Hanna (1 Sam 1), aber auch Jesus von Nazaret, von dem eine Kindheitserzählung über die Pilgerschaft nach Jerusalem berichtet (Lk 2,41–52). Auch in einigen Psalmen wird dieser Weg zum Heiligtum reflektiert, Segen für die Pilgerreise erbeten und die Freude über die Ankunft in Jerusalem zum Ausdruck gebracht (Ps 122).

Darüber hinaus aber gibt es eine Vielzahl an Erzählungen von Menschen, die aus ganz anderen Gründen aufgebrochen sind: Sie sind vor Naturkatastrophen oder Unterdrückung geflohen, suchten ökonomische Vorteile oder einfach nur die Möglichkeit zur Auszeit und Selbstfindung. Auch wenn es sich bei ihnen nicht um Pilger handelt, sind ihre Erfahrungen dennoch bis heute relevant. Es sind Menschen, die ihre vertraute Umgebung zurücklassen und dadurch neue Perspektiven gewinnen. Der Weg verändert sie und ihre Gottesbilder.

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