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Schwester Julittas Dreifaltigkeitsweg

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Daß der gegenwärtige Bischof von Würzburg ein tiefschürfendes Werk über eine Mystikerin unserer Tage schreibt, läßt aufhorchen. Schon der Titel des Buches, „Beste Beziehungen", führt in die Mitte der Gnaden, die Schwester Maria Julitta vom Orden der „Töchter des göttlichen Erlösers zur Verpflegung armer Kranker und Unterstützung anderer Armer" zumeist im Mutterhaus des Ordens in Würzburg erhalten hat. An den „Besten Beziehungen" teilzuhaben, ja in ihnen aufzugehen, war ihr Ziel, und es sei gleich vorweggenommen, daß diese „besten Beziehungen", an welchen ein Mensch teilhaben kann, jene sind, die die drei Personen der Heiligen Dreifaltigkeit Gottes auszeichnen.

Geboren 1882 im badischen Uis-sigheim trat sie jung in ihren geliebten Orden ein und verblieb dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1966. Und schon früh durfte sie zwei wichtige Erfahrungen machen. Der Glaube erwächst nicht aus Fortschritt, sondern aus Umkehr, und je stärker die Liebe Gottes erlebt wird, desto größer erscheint der Skandal der Sünde. Parallel dazu erfuhr sie die Wichtigkeit des Dreiklanges, der jeder Gottesbeziehung zugrundeliegt, nämlich der Entwicklungsstufen Knecht-Freund-Sohn, die ihrerseits wieder Gottsuche-Gottver-ähnlichung und Gottverherrlichung entsprechen.

Als Lehrerin an der Klosterschule unterrichtete sie erstaunlicherweise auch naturwissenschaftliche Fächer, konzentrierte ihre Aufmerksamkeit aber in zunehmendem Maß auf die spirituelle Entwicklung ihrer Zöglinge, und schrieb daneben widerwillig wie einst Therese von Avila und bloß den Anweisungen ihres Beichtvaters folgend, geistliche Texte, die wohl einst zu den wichtigsten auf dem Gebiet christlicher Mystik zählen werden, so zum Beispiel ihre „Kleinen Anweisungen fürs Innenleben" und viele andere mehr. Darin sind zum Beispiel Aussagen zu finden, die sogar für die unmittelbare Zeit vor dem Zweiten

Weltkrieg erstaunlich klingen und heute wohl aktueller sind denn je. „Man hat aus dem geistlichen Leben ein Geschäft gemacht, man handelt und schachert und hat den Kopf voller kleiner Profitchen. Man erhofft alles von Übungen und Büchern und man hofft nicht auf den, der alles hat und geben kann." Und als Gegenpol dazu stellt sie fest: „Leben heißt: ganz in

Gott begraben sein und in Gott zu neuem leben auferstehen."

Als in der Zeit des Zweiten Weltkrieges infolge verschiedener Schikanen und Verfolgungen das Klosterleben zu ersterben drohte, kaum Novizinnen kamen und die Klosterschule aufgelöst werden mußte, übernahm sie mit großer Selbstverständlichkeit den Dienst an der Klosterpforte, damals mehr als heute eine Schlüsselstellung zwischen Kloster und Welt. Erst als Pförtnerin entfaltete sich ihr reiches Innenleben: von Nah und Fern kamen Menschen um Rat und Hilfe.

Ein Bild, das einzige in ihrem Pfortenzimmer, zeigt deutlich den Weg, den sie beschritt. Das Bild war eine Kopie der „Dreifaltigkeitsikone" von Rubljew, die auf der Begegnung Abrahams mit den drei Unbekannten bei der Eiche von Mamre aufbaut, Einladen, Bewirten, Bedienen, und selbst dabei beschenkt werden. Das göttliche Mysterium in Verbindung mit schlichtem Alltag, unfaßbare Gotteserfahrung und schlichter Dienst am Nächsten verbinden sich zum Lebensweg, der weiterführt.

Erstaunlich Lebendiges ist auch zu erfahren, wenn sie, wie sie selbst sagt, in ihren Texten stammelt anstatt zu reden, denn das Erlebte ist unsagbar. Doch glückerfüllt stellt sie dabei fest, daß Gottes Liebe so erfinderisch ist, daß die Seele beim Erfahren derselben trotz aller Unwürdigkeit von einer herrlichen Überraschung in die andere fällt. Und Zug um Zug offenbarte Gott der Suchenden, wie er ist. Aber alles wurde überboten von dem letztlichen „Schauen der Vollkommenheit Gottes", wobei Schwester Julitta nicht müde wird, anzudeuten, daß alle Christen allein durch die Taufgnade die Befähigung zu mystischen Begnadungen erhalten haben. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist allerdings, daß es zuvor und innerhalb j eder drängenden Dynamik einmal still wird in der eigenen Seele. Und allein auf diese Weise, stellt sie immer wieder fest, kann der Mensch hineinfinden in den Urakt der Liebe, in die opfernde Hingabe.

Das zentrale Anliegen wird bereits im Titel angesprochen. Es gilt, die Beziehungen zu erkennen, an ihnen teilzuhaben, und letztlich anderen mitteilen zu können. Gleichzeitig ist das der Zugang Schwester Julittas zum Gottesgeheimnis im eigenen Inneren und damit in allen Menschen. Schon bald gesteht sie: „Mein Horizont ist die Allerheiligste Dreifaltigkeit nicht in Teilerkenntnissen, sondern im Gesamterscheinen ihrer ewigen, göttlichen Wesenheit". Damit kommen wir zum Kern ihrer Spiritualität.

„Hauptsächlicher Gegenstand meiner Erkenntnisse waren die Beziehungen der drei göttlichen Personen zueinander und meine Beziehung zu den einzelnen der drei göttlichen Personen, und in der Glückseligkeit Gottes schaute ich das Geheimnis der Dreipersönlichkeit Gottes, und die allerheiligste Dreifaltigkeit ist meine Sättigung und mein Hunger zugleich, sie ist Urheber, Mittel und Ziel." Für sie ist die Gemeinschaft der Dreieinigkeit die Ur-Gemeinschaft, der Ur-Grund von allem, ist Lebensquell, Lebensprinzip und Lebensnorm, wobei sich Staunen, Bewunderung, Demut, Dank und Gegenliebe ihrer bemächtigen und sie selbst dabei zunehmend tiefer in ihr eigenes Nichts versinkt!

Erspart blieben Schwester Julitta, wie Bischof Scheele von Würzburg feststellt, manche Positionen, die schon Therese von Avila aufgrund fehlleitender Anweisungen Oberer viel zu schaffen machten, vor allem die Einstellung, daß einzig eine rein geistige Mystik die höchsten Möglichkeiten in der Menschenseele freilegt und daß diese jene verpaßt, der sich durch Leibliches fesseln läßt, und sei es auch die Leiblichkeit Jesu. Schwester Julitta dagegen war von Anfang an dank weiser Ratgeber klar: „Die unio my-stica mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ist nicht denkbar und kann nicht bestehen ohne eine gleichzeitige Verbindung mit der Menschheit Jesu". Und Schwester Julitta hat diese Wahrheit in concreto erfahren.

Also nicht ein Übungsbuch unter vielen liegt hier vor, sondern vielmehr die Geschichte einer Seele und eines Weges ins Herz der allerheiligsten Dreifaltigkeit. In ihm sind die besten Beziehungen verwirklicht, mehr noch, jede göttliche Person ist, wie Bischof Scheele feststellt, (jenseits ihrer Personalität) ganz und gar Beziehung, oder, abstrakt gesprochen: das Absolute ist in sich selbst Relation.

DIE BESTEN BEZIEHUNGEN. Von Paul-Werner Scheele, Echter Verlag, Würzburg 1992, 251 Seiten, öS 193,40.

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