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Die Bibel in der Hand des jungen Menschen

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Angesichts des vielfältigen Angebots an Lektüre, Medienkonsum und anderen Möglichkeiten der (Frei-)Zeitgestaltung scheint die biblische Verkündigung der Kirche oft auf schwerem Boden zu stehen. Trotzdem greifen heute immer mehr junge Menschen nach der Bibel, sie lesen sie und sind durchaus bereit, daraus Konsequenzen für ihre persönliche Lebensgestaltung zu ziehen. Für eine solche Beschäftigung des jungen Menschen mit der Heiligen Schrift scheinen einige Aspekte als Hilfe und Anleitung von Bedeutung.

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Angesichts des vielfältigen Angebots an Lektüre, Medienkonsum und anderen Möglichkeiten der (Frei-)Zeitgestaltung scheint die biblische Verkündigung der Kirche oft auf schwerem Boden zu stehen. Trotzdem greifen heute immer mehr junge Menschen nach der Bibel, sie lesen sie und sind durchaus bereit, daraus Konsequenzen für ihre persönliche Lebensgestaltung zu ziehen. Für eine solche Beschäftigung des jungen Menschen mit der Heiligen Schrift scheinen einige Aspekte als Hilfe und Anleitung von Bedeutung.

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Das Lesen der Bibel muß mit einem schrittweisen Eindringen in das Verständnis der Texte verbunden sein. Steht zunächst ihre literarische Schönheit im Vordergrund, muß der Leser allmählich darüber hinaus zum religiösen Charakter und Gehalt vordringen, will er die Texte als Heilige Schrift und nicht nur als Stück Weltliteratur verstehen.

Der junge Mensch ist im allgemeinen meist nur bereit, sich in zwei Lebensbereichen weiterzubilden: im Berufsleben, um berufliches Fort-kommen und finanzielle Besserstellung zu erreichen, und im Bereich seines persönlichen Hobbys. Stärker als in früheren Zeiten ist eine persönliche Initiative auch in Glaubensfragen gefordert, wobei gerade die Erweiterung des Wissens über die biblischen Texte ^ls Grundlage der eigenen Glaubensreflexion im Vordergrund stehen muß.

Es gilt daher zu berücksichtigen, daß die Bibel, die der Jugendliche im Unterricht wie jedes andere Buch verwendet und als Schulbuch erhält, nach dem Schulabschluß nicht beiseite, gelegt werden kann. Die Notwendigkeit einer weitereri'Beschäfti-gung mit den biblischen Schriften ist eng verbunden mit dem ständigen Erfordernis einer wissensmäßigen Vertiefung. Die Angebote literarischer Art oder in der Jugend- und Erwachsenenbildung sind vielfältig und auch leicht zugänglich: einerseits durch das Katholische Bibelwerk (Klosterneuburg), anderseits durch die weit gestreuten Angebote des Katholischen Bildungswerkes.

Die Bibel ist kein Buch der Halbheiten. Die Menschen, die als Verfasser hinter den Texten stehen, waren keine religiösen Träumer, ja, sie waren auch nicht von Anbeginn an sofort Heilige. Die Verfasser waren Menschen, die in persönlich engagierter Weise selbst um ihren Glauben gerungen haben und nichts unversucht ließen, ihre Glaubensüberzeugung anderen Menschen weiterzugeben. Dieses persönliche Engagement, diese Radikalität der Verfasser, kann den jungen Menschen, der selbst in nicht begrenzbarer Weise für seine Uberzeugungen einzutreten gewillt ist, besonders ansprechen.

Der Prophet Jeremia zog mit einem Ochsenjoch durch Jerusalem, um die Glaubwürdigkeit seiner Verkündung einer bevorstehenden Knechtschaft zu unterstreichen (vgl. Jer 27). Ezechiel kündete etwa zur selben Zeit die Verbannung nach Babylon nicht nur durch sein Wort an; er trat in Jerusalem in Marschausrüstung auf, um den Ernst der Situation zu verdeutlichen (vgl. Ez 12). Ein Paulus von Tarsus stellte - buchstäblich! - sein Leben auf den Kopf, weil er, wie er selbst schreibt, von Christus ergriffen war (vgl. 2 Kor 5,14); weil er selbst nicht mehr anders konnte, als Christus zu verkündigen (vgl. 1 Kor 9,16); weil er erkannt hatte, daß dies das einzig Entscheidende in seinem Leben war (vgl. Gal 2, 20; Phil 1 ,21; 3, 12-14).

Dementsprechend schreiben diese und die anderen Verfasser der biblischen Texte keine leeren Worte nieder, sie formulieren keine Kompromisse, sondern konkrete, sehr ernste Forderungen.

Die biblischen Schriften stellen an den Leser einen ganz persönlichen Anspruch. Gerade der junge Mensch ist heute in hohem Maße bereit, sich gedanklich und existentiell auch mit jenen Lebensalternativen auseinanderzusetzen, die ihn persönlich fordern und von ihm ganzen Einsatz verlangen. Die biblischen Schriften überliefern nicht bloß das Glaubenszeugnis und die Glaubenserfahrung verschiedener Epochen, die 3000 bis 2000 Jahre zurückliegen. Kraft des besonderen Charakters dieser Texte, in denen menschliche Verfasser auf Grund göttlicher Initiative Gottes Zuwendung, sein liebendes Ja zum Menschen bezeugen, haben diese Texte nicht nur rückblickend erzählenden Charakter, sondern sprechen auch heute den Leser immer neu an: Im Lesen der biblischen Schriften eröffnet sich immer neu der Dialog zwischen Gott und dem betroffenen Menschen selbst.

Natürlich hängt es zu einem großen Maß vom Einzelnen ab, wieweit er sich vom Glaubenszeugnis, das der biblische Verfasser überliefert, ansprechen läßt. Mehr noch als durch jede andere Lektüre ist der Mensch hier aufgerufen, sich mit dem Gelesenen auseinanderzusetzen, dazu Stellung zu nehmen und eine persönliche Position zu beziehen.

Für den jungen Menschen können sich daraus Strukturen und Leitlinien ergeben, die sein Leben bestimmen: Er ist eher geneigt, sich auch Forderungen zu stellen, die seine ganze Persönlichkeit miteinbeziehen und nicht im Vordergründigen und Oberflächlichen stehenbleiben. Die Schriften des Alten sowie des Neuen Testaments reflektieren den Glauben an einen Gott, der dem Menschen in seiner Gesamtheit zugewendet ist, der seine ganze Existenz in das Gespräch, in die Beziehung Gott - Mensch einbeziehen möchte.

Einzelne, vielleicht manchmal extrem anmutende Ansprüche an den Leser bestätigen diese Tendenz. Gerade darin kann jedoch der junge Mensch sein persönliches Engagement messen, seine Willensstärke und Entscheidungskraft sowie sein Durchhaltevermögen prüfen und seine Persönlichkeit einsetzen. Wie die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, wird er sich in solchen Denkstrukturen und in einer solchen religiösen Umgebung eher identifizieren können als im mittelmäßigen Bereich bloß alltäglichen, unreflektierten Lebens.

Die sozialen Grundlinien in den biblischen Schriften können ebenso wie ihre literarische Schönheit nur als erste Ansatzpunkte einer Motivation zur Beschäftigung mit diesen Texten dienen. Dem jungen Menschen, der noch nach Orierntierung sucht wid nach dem Erkennen eines Höheren, Übermenschlichen strebt, das er als sinn- und zielgebend zu begreifen vermag, kann in den biblischen Texten Gott in einer ungeahnten Fülle des Bildes, der Umschreibung und der Beschreibung in der konkreten Erfahrung einzelnen menschlichen Schicksals begegnen.

Hier kann er die über das menschliche Leben hinausreichende Dimension seiner Existenz begreifen, hier sein eigenes Bild, vor allem aber seinen persönlichen Glauben und seinen bejahenden Zugang zu diesem Gott motivieren, tragfähig begründen und inhaltlich festlegen. Die biblischen Texte sind dann nicht mehr bloß ein schöner Abschnitt der Weltliteratur, enthalten nicht nur brauchbare Anweisungen für den zwischenmenschlichen Bereich.

Insofern sie Ausgangspunkt und Motivation des Glaubens werden, erfährt der junge Mensch darin ihr wahres Wesen: auch für sein Leben entscheidende Anrede Gottes an ihn selbst zu sein und die Grundlage seiner Beziehung zu diesem Gott zu vermitteln.

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