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Die Bibel treibt nicht Wissenschaft

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EINLEITUNG IN DIE HEILIGE SCHRIFT. Band I. Allgemeine Einleitungsfragen und Altes Testament. Herausgegeben von A. Robert und A. Feullet. Verlag Herder Freiburg im Breisgau, 196S. XXVIII und 860 Seiten. Preis 360 S. Subskriptionspreis 335 S.

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EINLEITUNG IN DIE HEILIGE SCHRIFT. Band I. Allgemeine Einleitungsfragen und Altes Testament. Herausgegeben von A. Robert und A. Feullet. Verlag Herder Freiburg im Breisgau, 196S. XXVIII und 860 Seiten. Preis 360 S. Subskriptionspreis 335 S.

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Es ist schon längst kein Geheimnis mehr, wie sich die Auffassung von den biblischen Texten in den letzten Jahren gewandelt hat. Außerdem hat die Heilige Schrift in den gleichen Jahren eine sehr weite und wünschenswerte Verbreitung erhalten. So wuchs auch das Interesse in Laienkreisen. Dazu werden wir bis in die Tagespresse hinein überschwemmt mit Nachrichten über Teilhard de Chardin, Qumran, Ent-mythologisierung usw. Die Verwirrung, die durch diese halbverdauten Berichte entstanden ist, tritt uns immer wieder entgegen, in Gesprächen, Fragen, Diskussionen. So ist es ungemein zu begrüßen, nun eine Einleitung in die Heilige Schrift in die Hand zu bekommen, die dem Fortschritt unseres Wissens durch Textfunde, archäologische Entdek-kungen, spekulative Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit Zeitströmungen Rechnung trägt. Die 1957 in Frankreich erschienene, von einem Fachleuteteam besorgte Intro-duction, der ihr Ruf bereits vorausgeeilt war, liegt nun endlich auch im Deutschen vor. Sie ist so abgefaßt, daß sie sowohl vom Klerus wie von gebildeten Laien in die Hand genommen werden kann.

Die streng objektive, am Lehramt der Kirche orientierte Darstellung berücksichtigt die neuesten Veröffentlichungen, wurde in der deutschen .Ubersetzung den deutschen Verhältnissen angepaßt, geht über die bisherigen Einführungen weit hinaus und wird sicher, im Gegensatz zu unfruchtbaren Fixierungen, eine ebenso fruchtbringende wie offene Einstellung zu den ehrwürdigen Texten zeitigen, und vor allem auf solider, von ersten Fachkräften gebauter Grundlage, Inspiration, Irrtumslosigkeit, Entstehung, literarische Arten, Interpretationsweise der Heiligen Schrift im allgemeinen wird dargelegt, wie auch im besonderen eine konkrete Einführung in die einzelnen Bücher, unter denen natürlich die Ausführungen über den Schöpfungsbericht auf großes Interesse stoßen werden. Auch eine umfangreiche Arbeit über den geschichtlichen Rahmen der biblischen Ereignisse ist zu finden. Das ausführliche Verzeichnis der Schriftstellen sowie ein Personen- und Sachregister am Schluß des Buches machen eine leichte Orientierung im vorliegenden Buch, in der Heiligen Schrift und in auftauchenden Fragen möglich. Der in den 860 Seiten verarbeitete Stoff ist von einer derartigen, viele Einzelarbeiten ersetzenden Fülle, daß sich jeder, dem irgendwie am Verständnis der Heiligen Schrift gelegen ist, die einmalige Ausgabe leisten sollte. Wir hoffen auf ein baldiges Erscheinen des zweiten Bandes über das Neue Testament.

Eine Textprobe: „Die wissenschaftlichen Entdeckungen des 19. Jahrhunderts haben uns ein Weltbild vermittelt, das sich von jenem, das die Israeliten zu gewinnen vermochten, gewaltig unterscheidet. Seit Galilei wußte man, daß sich die Erde um die Sonne, nicht aber die Sonne um die Erde dreht; die Geologie zeigte die Etappen der Schöpfung in ihrer gesamten Dauer auf; es erwies sich, daß die verschiedenen Arten auf der Erde erst nach und nach aufgetreten sind, und die Länge der prähistorischen Zeit ließ sich mit dem chronologischen Rahmen der Genesis nicht mehr vereinbaren... Der Geist Gottes, der durch die heiligen Schriftsteller gesprochen hat, hat die Menschen nicht über jene Dinge belehren wollen, die für das Heil ohne Nutzen sind, hatte der heilige Augustinus gesagt, und Kardinal Baronius hatte demselben Gedanken Ausdruck verliehen: Die Heilige Schrift lehrt uns, wie man in den Himmel kommt, nicht aber, wie sich die Gestirne bewegen. Der heilige Thomas hatte sich noch klarer ausgedrückt: Moses hat... nach dem sinnlich wahrnehmbaren Augenschein geschrieben... Leo XIII. griff auf diese überlieferte Lehre zurück. Die Verfasser machen sich die Sprechweise und die Bilder ihrer Zeit zu eigen, ohne sich die Mühe zu nehmen, deren wissenschaftliche Ungenauigkeiten zu korrigieren. Die gewöhnliche Sprache bringt zunächst und an sich das zum Ausdruck, was sich den Sinnen darbietet; der heilige Schriftsteller hat nicht anders gehandelt; er hat sich gleichfalls an die sinnenhaften Dinge gehalten, das heißt an jene, die Gott selbst, als Er zu den Menschen sprach, auf menschliche Art und Weise bezeichnete, um von ihnen verstanden zu werden. Die Bibel treibt nicht Wissenschaft, und die Wissenschaft treibt nicht Theologie. Wenn jeder in seinem Bereich verbleibt, ist ein Konflikt unmöglich. Selbst dort, wo sich ihre Bereiche überschneiden (zum Beispiel betreffs der biblischen Wunder oder der

Einheit des Menschengeschlechts), ist keine Gegensätzlichkeit zu fürchten, vorausgesetzt, daß die Bibel nach den Gesetzen der ihr eigenen Sprechweise richtig verstanden wird und die Wissenschaft die Bedeutung ihrer positiven Ergebnisse nicht übertreibt, indem sie Systeme aufstellt, die nicht so sehr auf Tatsachen beruhen, als von offenbarungsfeindlichen philosophischen Postulaten gefordert werden. Daraus folgt:... wenn die biblischen Schriftsteller die Schöpfung beschreiben, treiben sie nicht Naturwissenschaft; was sie bieten, ist vielmehr feine theologische Definition des Menschen innerhalb des wohlgegliederten Universums.“

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