Brisante Werke zum Thema Migration

Werbung
Werbung
Werbung

"Mit uns ist kein (National)Staat zu machen": 15 Künstlerinnen und Künstler zeigen im Kunstraum Niederösterreich ihre Arbeiten, die sich mit dem Schicksal von Flüchtlingen und Asylwerbern auseinandersetzen. Schwerpunkt der Ausstellung: Traiskirchen.

Er hat sich hinter Bäumen am illegalen Grenzübergang von Ungarn nach Österreich versteckt, zwei Wochen am Wiener Westbahnhof gelebt, um schließlich im Flüchtlingslager Traiskirchen zu landen. Kein ungewöhnlicher Weg für einen Asylwerber. Dennoch geht er besonders unter die Haut. Denn der gebürtige Rumäne Ovidiu Anton machte die Geschichte seines Vaters zum Thema einer komplexen künstlerischen Arbeit. Gemeinsam haben Vater und Sohn wichtige Orte während der Flucht 20 Jahre später nochmals aufgesucht. Der Vater erinnert sich, erzählt von seinen damaligen Empfindungen und Ängsten, während der Sohn, der mittlerweile in Wien Künstler geworden ist, filmt und fotografiert.

Die eindrucksvolle multimediale Installation - bestehend aus Dias, Filmsequenzen und Tondokumenten - mit dem Titel "Zeit totschlagen und Umgebung beobachten" (2010) ist Teil des Ausstellungsprojekts "Mit uns ist kein (National)Staat zu machen" im Kunstraum Niederösterreich. 15 Künstler und Künstlerinnen, großteils selbst mit migrantischem Hintergrund, zeigen hier brisante Werke zum Thema Migration. Dabei bedienen sich die von den Kuratoren Ursula Maria Probst und Walter Seidl ausgewählten Positionen meist der Sprache des Dokumentarischen. Mittels Zeichnungen, Fotos, Videos und Texten erzählen sie Geschichten von Personen mit Migrationshintergrund und kritisieren Strategien der Ausgrenzung. Vor allem versuchen die Künstler stereotype Sichtweisen in Bezug auf Migration zu hinterfragen und die oft diskriminierende Darstellung von Asylwerbern in Massenmedien aufzudecken.

So hat etwa der in Peru geborene Künstler Hansel Sato im Mai 2010 eine als Boulevardzeitung getarnte antirassistische Gratiszeitung mit dem Namen Österreichische Nachrichten in der Öffentlichkeit verbreitet und das Projekt dokumentiert. Äußerlich erinnerte die Zeitschrift an existierende Gratiszeitungen. Inhaltlich setzte Sato dem negativen Bild von Migranten als vermeintlich Kriminelle und Gewalttätige ein positives Bild von Multikulturalität gegenüber.

Kunst, Dokumentation und soziales Projekt

Geschichte und Gegenwart, Hoch- und Subkultur bringt hingegen die österreichische Künstlerin Lisl Ponger in ihrer dreiteiligen Fotoarbeit miteinander in Dialog. Die inszenierten Fotografien mit Menschen in langen Kleidern und Perücken erinnern an Zeiten absolutistischer Herrschaft. Auf sie sprayte Ponger "Gleiche Rechte für Alle" und erinnert daran, dass Freiheiten und Rechte immer wieder aufs Neue erkämpft werden müssen.

Wesentlicher Bestandteil und Ausgangspunkt der Ausstellung ist das Buchprojekt "Traiskirchen", das die vier Künstlerinnen Eva Engelbert, Marlene Hausegger, Tina Oberleitner und Roswitha Weingrill erarbeitet haben. In dieser Publikation beleuchten die Studentinnen der 1989 aus Sankt Petersburg emigrierten Künstlerin Anna Jermolaewa mittels Essays, Interviews, Zeichnungen und Fotos den Transitort "Traiskirchen". Dabei kommen Asylwerber genauso zu Wort wie ortsansässige Traiskirchner oder Personen, die im Asylbereich arbeiten.

Besonders spannend ist, dass dabei die Gratwanderung künstlerischer Arbeit im Zwischenfeld von Kunst, Dokumentation und sozialem Projekt selbst problematisiert wird. Schließlich gehört es heute zum guten Ton, dass Museen sich um ein politisch und sozial engagiertes Programm bemühen. Eine Art Ersatzpolitik, die kompensatorisch fungiert? Auch muss sich sozial engagierte Kunst den Vorwurf gefallen lassen, die Projekte für die Finanzierung von Kunst zu instrumentalisieren. Für die Künstlerinnen jedoch kein Grund, sich aus diesem Feld zurückzuziehen.

Mit uns ist kein (National)Staat zu machen

Kunstraum NÖ, Herrengasse 13, 1014 Wien

bis 11. Dezember, Di-Fr 11-19 Uhr, Sa bis 15 Uhr

Der Katalog zur Ausstellung entstand in Kooperation mit SOS-Mitmensch und ist Teil der Septemberausgabe des Menschrechtsmagazins MO (gratis).

Publikation: Traiskirchen

Hrsg. von Eva Engelbert u. a., mit einem Vorwort von Marlene Streeruwitz, Metroverlag 2010.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung