"Demenz überfordert den Verstand“

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Wie sich Demenz auf das Leben der Betroffenen und Angehörigen auswirkt, erklärt Sigrid Boschert, Leiterin der psychosozialen Angehörigenberatung der Caritas Wien.

Die Furche: Was ist Demenz?

Boschert: Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungen, die mit dem Verlust der geistigen Funktionen und mit Veränderungen der Persönlichkeit, des Verhaltens und der Alltagsfähigkeiten einhergehen. Alzheimer ist die häufigste Form, oft treten Mischformen auf.

Die Furche: Wie sieht denn der Verlauf dieser Erkrankung aus?

Boschert: Oft werden erste Anzeichen nicht ernst genommen, und es dauert lange, bis es wirklich auffällt, dass Leute nicht mehr heim finden oder Alltagsfertigkeiten verlernt haben. Jeder Kranke kaschiert zu Beginn seine Erkrankung. Diese kann bis zu 15 Jahre dauern. Die meisten Patienten sind erst ab etwa 80 Jahren betroffen. Weil Frauen länger leben, erkranken sie öfter. Manche Demenzformen treten schon um die 60 auf. Dann ist die Erkrankung für Betroffene und Angehörige besonders schwer zu akzeptieren.

Die Furche: Lässt sich medizinisch etwas gegen Demenz tun?

Boschert: Demenz ist unheilbar. Es gibt Antidementiva, die den Verlauf um ein bis eineinhalb Jahre verzögern können. Die Medikamente sollten ab einem möglichst frühen Krankheitsstadium genommen werden. Oft geht der Demenz eine Depression voraus.

Die Furche: Womit kämpfen die Angehörigen?

Boschert: Am meisten mit der veränderten Persönlichkeit der Erkrankten. Angehörige verlieren nach und nach den Menschen, wie sie ihn kannten und liebten: den Gesprächspartner, den Austausch gemeinsamer Erinnerungen. Vor allem Partner trifft das massiv. Es ist schlimm, wenn die Kranken die Angehörigen nicht mehr erkennen oder sich selbst im Spiegel. Die Kinder dementer Eltern kämpfen oft mit der Mehrfachbelastung durch Beruf, Familie und Betreuung. Anfangs belastet die Erkrankten das Wissen um ihre Krankheit, viele werden depressiv. Später ist ihnen das nicht mehr bewusst.

Die Furche: Die Caritas bietet in Wien zwei Gesprächsgruppen, kostenlose Beratung und Hausbesuche an, in den anderen Bundesländern anonyme Telefonberatung.

Boschert: Neben der Einzelberatung haben wir eine Gesprächsgruppe für Partnerinnen von Demenz-Patienten. Die andere Gruppe ist gemischt. Wir wollen den Angehörigen Informationen, Austausch und Halt bieten .

Die Furche: Welche Tipps geben Sie den Angehörigen?

Boschert: Sie sollen sich Hilfe holen. Angehörige sind eine Risikogruppe für Burn-out und Depression. Beim ersten Demenz-Verdacht sollte man zum Arzt gehen. Nach der Diagnose sollte man rechtzeitig Formelles wie etwa Vorsorgevollmacht oder Testament regeln.

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