Der politische Kampf um Wien

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Mit dem Wahlkampf um Wien steht viel auf dem Spiel. Österreichs Bundeshauptstadt liegt an der Schnittstelle von Populismus und Boulevard. Also an einem Tiefpunkt.

Es wurde befürchtet und Bürgermeister Michael Häupl hat es bestätigt: Der Wahlkampf um Wien wird „grauslig“. Die Wortwahl erinnert an die Harmlosigkeit der Texte von Beipackzetteln, die stets um die Auskünfte von Ärzten oder Apothekern ergänzt werden müssen, will man wirkliche Aufklärung über unerwünschte Nebenwirkungen erhalten. Häupl hat natürlich recht, aber erschreckenderweise in einem zweiten, von ihm nicht genannten Sinne: Auch der Kampf der Boulevardtitel um die Vorherrhaft in Wien wird „grauslig“. Die Schlacht um Wien im Jahr 2010 ist eine politische und eine mediale, und genau darin liegt ihre enorme Brisanz.

Die Sozialdemokraten in Wien waren noch nie um härtesten Populismus verlegen, ging es darum, die Genossen bei Laune und an der Urne zu halten. Die Parolen des 1. Mai, ausgegeben vor dem Rathaus, diffamieren oft genug politische Gegner, zuletzt etwa als „Koffer“, was sich von „Kaffer“, also Schwarzhäutigen ableitet und beleidigend gemeint ist.

Die Freiheitliche Opposition steht dem um nichts nach, fischt sie doch für die im Herbst 2010 angesetzten Landtags- und Gemeinderatswahlen im selben Teich. Die harten Themen des Wahlkampfes sind Zuwanderung und Sicherheit, also Ausländer und Kriminalität. Das sind – wem sei es geklagt? – bedauerlicherweise genau jene Themen, derer sich die Boulevardmedien so gerne annehmen. Sie sind leicht eingängig, einfach darstellbar, Gesprächsstoff für jedermann. Genau diese Medien – namentlich die Kronen Zeitung, Österreich und heute – liefern sich in Wien einen harten Wettbewerb um die Vorherrschaft auf dem Boulevard. Es ist ein Schreckensfall der politischen Zeitgeschichte, dass die Themen des auf niedrigem Niveau laufenden Wahlkampfes genau jene der Massenmedien ohne Qualitätsanspruch sind.

Häupls Warnung könnte übertroffen werden

Es steht viel auf dem Spiel, wenn sich im Laufe der nächsten zwölf Monate in Wien die Wähler für eine Partei und die Leser für eine Zeitung entscheiden.

Für die SPÖ geht es um die Jahrzehnte währende Vorherrschaft in Wien, die ernstlich gefährdet ist. Für die Kronen Zeitung um ihre Position als reichweitenstärkstes Printmedium, die ins Wanken geraten ist. Die Bürger als Wähler und als Leser entscheiden über Macht und Geschäft.

Wien liegt ein Jahr lang an der Schnittstelle des politischen Populismus und des massenmedialen Boulevard, an einem toten Tiefpunkt in den Koordinaten des geistigen und kulturellen Lebens. Gefühle werden über Gedanken siegen. Schlagzeilen und Bilder werden in den Blättern mehr Platz einnehmen als die Texte, die einen Sachverhalt vermitteln sollen. Politik und Medien werden Heroen fabrizieren, von Duellen und Wettläufen faseln. Weil sie in ihrem Weltbild Feindbilder brauchen, werden diese geliefert: Ausländer, Kriminelle und so weiter.

Häupls Warnung vor einem grausligen Wahlkampf könnte übertroffen werden. Es bleibt die Hoffnung auf eine ausreichend große kritische Masse, die Qualität benennen kann.

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