Ein äußerst gelungener Beitrag zum Haydn-Jahr

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Mit Joseph Haydns „Le pescatrici – Die Fischerinnen“ setzt die Wiener Kammeroper auf eine Rarität. Das Orchester unter Daniel Hoyem-Cavazza sorgte für eine spritzige Aufführung.

Arme Frauen: Die Fischfabrik, in der sie arbeiten, ist von der Schließung bedroht, ihre Männer prügeln sie und zwingen sie zur Gelegenheitsprostitution, zum Essen gibt es nur verdorbene Abfälle. Kein Wunder, dass Lesbina und Nerina ihrer trostlosen Situation entfliehen wollen. Die ideale Gelegenheit dazu bietet sich, als ein Aristokrat in ihrem Dorf auftaucht, um die dort als Kind ausgesetzte Erbin eines Reiches zu finden und zu ehelichen. Im Nullkommanichts geben die selbstbewussten und frechen Mädels ihren Peinigern den Laufpass und werfen sich unter Einsatz all ihrer weiblichen Reize dem potenziellen Retter an den Hals.

Oper in heutigem Mantel

„Le pescatrici“ – „Die Fischerinnen“ – ist der Beitrag der Wiener Kammeroper zum Haydn-Jahr. Und zwar ein äußerst gelungener. Regisseur Peter Pawlik hat der 1770 uraufgeführten Oper von Joseph Haydn einen heutigen Mantel verpasst, der ganz vergessen lässt, dass es sich um ein von der Form her steifes Werk handelt, das ganz dem barocken Abfolgeschema von Da-capo-Arie und Rezitativ folgt. In der Musik hingegen ist von Steifheit nichts zu merken, dafür sorgt auch Daniel Hoyem-Cavazza, der das Orchester der Wiener Kammeroper frisch und unbekümmert dirigiert. Dazu kommt ein junges, spielfreudiges Ensemble, das größtenteils auch stimmlich nichts zu wünschen übrig lässt. Das Ergebnis ist eine musikalisch ansprechende, spritzige Aufführung, manchmal urkomisch, manchmal bitterböse, die Carlo Goldonis mitunter durchaus frivoles Libretto mit einem Szenario der Gegenwart verbindet.

Alles dreht sich in dieser Oper um die beiden modernen Frauenfiguren, die von Jennifer Davison (Lesbina) und Auxiliadora Toledano (Nerina) großartig gesungen und verkörpert werden. Die verschollene Prinzessin Eurilda (Anna Pierard) hingegen wird hier als neurotische Langweilerin präsentiert. Folgerichtig lässt Lindoro (Sebastian Huppmann) die ungeliebte Braut am Ende beseitigen, um sich mit den lebenslustigen und auf dem Gebiet der Erotik bewanderten Fischerinnen zu vergnügen. Übrig bleiben die Männer, die weder mit Reichtum noch mit Ansehen punkten können.

Wiederentdeckte Rarität

Die Kammeroper setzt in ihrem Spielplan regelmäßig auf Raritäten und hat mit „Le pescatrici“ ein wirklich interessantes Werk ausgegraben. Haydn selbst schätzte den Stellenwert dieser Oper innerhalb seinesŒuvres sehr hoch ein. Dass das Werk verschwunden ist, liegt nicht etwa an mangelnder Qualität, sondern daran, dass rund ein Viertel der Musik noch zu Lebzeiten des 1809 verstorbenen Haydn einem Feuer zum Opfer fiel.

An der Kammeroper hat man sich für die Aufführung einer rekonstruierten Fassung entschieden, in welcher der Oper ein Sinfonie-Satz von Haydn vorangestellt ist, Arien nach der im Original erhaltenen Introduktion weitergedacht, fehlende Takte vervollständigt und komplett fehlende Teile im Stil des Werkes neu komponiert wurden. Bis auf eine Stelle direkt vor der Pause ist ohne Kenntnis der Partitur nicht zu erkennen, was nun von Haydn stammt und was von seinen Rekonstrukteuren H. C. Robbins Landon und Karl Heinz Füssl.

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