Die Schöne und drei Kaiser

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Händels Oper "Agrippina" und das intelligente Nischen-Konzept der Wiener Kammeroper, deren Programm von Barockoper bis zu Jazz und Uraufführungen reicht.

Poppea galt als die schönste Frau Roms ihrer Zeit. Gleich drei Kaiser lagen ihr zu Füßen. Wenn sie so ausgesehen hat wie Romana Beutel, ist das nur allzu verständlich. Sich verführerisch in der Badewanne räkelnd und dabei atemberaubende Koloraturen singend, schließlich gehüllt nur in ein weißes Leintuch, das sie in einer Mischung aus Unschuld und Koketterie über der Brust zusammenhält, betört sie nicht nur die Figuren auf der Bühne, sondern wohl auch so manchen Herren im Publikum. Diese geballte Ladung Erotik ist derzeit an einem Ort anzutreffen, an dem man sie auf den ersten Blick nicht vermuten würde: in der Wiener Kammeroper, bei der Aufführung von Georg Friedrich Händels Oper Agrippina.

Aber nur auf den ersten Blick. Denn die 1953 von Hans Gabor gegründete Kammeroper ist ein Haus, das den Bogen zwischen Tradition und Gegenwart gekonnt zu spannen vermag. Mit einem ambitionierten Programm gelingt es der Kammeroper seit Jahren, sowohl ein eher traditionsverbundenes älteres Publikum zu halten, als auch junge Zuschauer anzusprechen. "Wir besetzen eine Nischenposition", erklärt Holger Bleck, der zusammen mit Isabella Gabor das Haus seit 1999 leitet. Die Direktion setzt nämlich auf ausgesprochene Raritäten. Kammer-Musical, Barockoper, zeitgenössisches Musiktheater und Opera buffa heißen die vier Programmsäulen, jedes Jahr befindet sich darunter mindestens eine Uraufführung oder zumindest eine österreichische Erstaufführung.

Raritäten & junge Künstler

"Die Kammeroper ist ein Sprungbrett für junge Künstler", betont Direktor Bleck. Mit einem Jahresbudget von 1,8 Millionen Euro kann man natürlich keine Stars einkaufen, deshalb setzt die Kammeroper auf junge Sänger, Dirigenten und Regisseure. Rekrutiert werden diese unter anderem beim Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb, der alljährlich von der Kammeroper veranstaltet wird und der zu den renommiertesten und größten Sängerwettbewerben weltweit zählt. Unter den bisherigen Preisträgern finden sich Namen wie etwa Angela Gheorghiu, Maria Bayo, Ildikó Raimondi oder Egils Silins. "Mit geringen Geldmitteln bringen wir Dinge auf die Bühne, die den internationalen Vergleich nicht scheuen müssen", meint Bleck, und wenn man Agrippina besucht, muss man ihm Recht geben.

Die Barockoper des heurigen Spielplanes ist noch bis 27. Februar zu sehen. Das sechste von Händels rund 40 Opernwerken war bei seiner Uraufführung 1709 in Venedig ein durchschlagender Erfolg, wird aber heute kaum noch gespielt. Ort der Handlung ist der Römische Kaiserhof, die Namen der Figuren sind aus der Geschichte bekannt: die drei aufeinander folgenden Kaiser Claudius, Nero und Otho, dazu noch Poppea und natürlich Agrippina, Neros mächtige Mutter. Das Libretto schönt die historischen Figuren und tischt ein für die barocke Opera seria typisches, aber nicht den tatsächlichen historischen Ereignissen entsprechendes Happy End auf. Dennoch bleibt genügend Stoff für eine Story voller Leidenschaften und Niedertracht, die Regisseur Peter Pawlik im Stile einer Soap Opera inszeniert: Dallas im Alten Rom.

Es ist eine typische Kammeroper-Aufführung: Mit deutlicher Handschrift des Regisseurs, aber ohne verschwurbelten Intellektualismus und ohne modische "Dekonstruktion", die jeglicher Verständlichkeit ein Ende setzen würden: Agrippina (Wiebke Huhs) versucht ihren Sohn mit allen Mitteln auf den Thron zu hieven. Daher spinnt sie eine teuflische Intrige gegen den gutmütigen Otho (Armin Gramer, ein Countertenor), der sich die Gunst des Kaisers erworben hat und den der etwas tumbe Claudius (Philip Zawisza) zu seinem Nachfolger machen will. Otho jedoch hat mit dem Kaiserthron in Wahrheit nichts am Hut, er begehrt nur die verführerische Poppea. Doch da ist er nicht der einzige: Hinter der Schönen her sind auch Claudius und Nero (Marelize Gerber), der aussieht wie der Sänger von Tokio Hotel und schon als Jugendlicher ein begeisterter Brandstifter ist. Klingt kompliziert, ist aber so umgesetzt, dass es selbst ohne Übertitel verständlich wäre. Alle Genannten bieten eine gesanglich und darstellerisch gediegene Leistung, herausragend ist die schon geschilderte Performance von Romana Beutel als Poppea.

So wie die Kammeroper kein eigenes Ensemble hat, wird auch das Orchester für jede Produktion neu zusammengestellt. Bei einer Bandbreite, die von Barockoper bis zu Jazz reicht, geradezu eine Notwendigkeit. Das Barockorchester der Wiener Kammeroper, das auf historischen Instrumenten spielt, braucht sich nicht zu verstecken. Unter Bernhard Klebel setzt das vorwiegend weibliche Orchester auf einen gefälligen Mittelweg, der von der Analytik mancher Ensembles ebenso Abstand hält wie von der entfesselten Verve anderer. Der intime Rahmen - der ehemalige Tanzsaal am Wiener Fleischmarkt fasst etwas mehr als 300 Personen - kommt den filigranen Barockklängen sehr zugute.

Ambitioniertes Programm

Das diesjährige Kammer-Musical (A good man von Ray Leslee) ging schon im November über die Bühne, das Musiktheater von heute und die Opera buffa hingegen stehen noch bevor. Ein zeitgenössischer Einakter und eine "Fernsehoper" führen das Publikum in das britische Königshaus: Jonathan Doves' When she died ist die Uraufführung der Bühnenversion einer für das Fernsehen konzipierten Kurzoper. Darin geht es um die Ambivalenz von Berühmtheit und Starkult am Beispiel der vor zehn Jahren ums Leben gekommenen englischen Prinzessin Diana.

Eight Songs for a Mad King von Peter Maxwell Davies dagegen entwirft ein exaltiertes Porträt des britischen Königs George III., der - vom Wahnsinn gezeichnet - den Vögeln das Singen beizubringen versucht (Premiere: 29. März). Die vor absurder Komik und musikalischen Einfällen sprühende Opera buffa I due timidi von Nino Rota ist eine österreichische Erstaufführung. Das 1949 als Radiooper in Auftrag gegebene Werk erzählt die Geschichte zweier junger, schüchterner Menschen, die - obwohl unsterblich ineinander verliebt - nicht zueinander finden (Premiere: 31. Mai).

Wiener Kammeroper

Fleischmarkt 24 / Drachengasse

1010 Wien

www.wienerkammeroper.at

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