Eine glatte, ästhetisierende und mediokre Inszenierung

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Nach „Immanuel Kant“ ist nun auch Kleists „Amphitryon“ als schlichte Boulevardkomödie ohne Tiefsinn vom Schauspielhaus Zürich ins Wiener Akademietheater übersiedelt.

Hartmann, hochproduktiv, zeigt in seinen Eröffnungsarbeiten wenig Profil, sondern setzt vor allem auf die Qualität der Schauspieler.

Hartmanns glatte, ästhetisierende, mediokre Interpretation führt Kleists Jupiter (Roland Koch) in ein nicht definiertes Heute, wo der eitle Gott Liebe um seiner selbst willen sucht, doch nur mit Äußerlichkeiten prahlt. Paradigmatisch für Hartmanns Zugang ist die Darstellung Jupiters im weißen Gehrock, ein cooler Schönling, der Upper-Class-Atmosphäre verbreitet. Das Doppelgänger-Motiv löst Hartmann in eleganten Bildern, etwa wenn sich die kreisrunde Bühne ganz öffnet und die beiden „Amphitryonen“ vor dem Hintergrund zweier Monde preisgibt. Der andere, der „echte“ Amphitryon, verzweifelt herrlich vor seinem Spiegelbild: Michael Maertens reüssiert auch diesmal wieder mit seiner eigenwilligen, hochgezogenen Spielweise. Aus der selbstherrlichen Haltung des Feldherrn entwickelt er höchst unterhaltsam den zunehmend in die Irre seiner Identität geführten Liebenden.

Mr. Bean-Parodie

Die Interpretation der Parade-Rolle der Komödienliteratur – Sosias – zeigt, dass es Hartmann in erster Linie um Oberflächenkosmetik geht. Der aus Zürich mitgebrachte Fabian Krüger zappelt bei Saallicht vom Seiteneingang in den Zuschauerraum, er grimassiert unkontrolliert, stottert und hat seine Extremitäten scheinbar nicht im Griff. Hartmanns Zeichnung des Sosias sieht hier vielmehr wie eine missglückte Mr. Bean-Parodie aus. Zwar „mausert“ sich Krüger im Laufe der Inszenierung zu einem ansehnlich armen Tropf der Weltliteratur, Sosias wird er aber dennoch keiner.

Und auch für seine Frau Charis (Karin Pfammatter) gilt: Ein bisschen Bein macht noch lange keine Erotik. Im weißen Vorhangstoffkleid trippelt sie (Kostüme: Su Bühler) über die Bühne, wackelt pseudo-geil mit dem Popo und wirkt in dem weißen Rüschenberg wie ein verlorenes Huhn. Auch aus dem zänkischen Dialog der beiden, den Sosias’ Doppelgänger Merkur (Oliver Masucci) anstachelt, entwickelt sich nicht mehr als eine laue Konversation.

Dörte Lyssewski bringt als Alkmene Dynamik ins Spiel, ihr transparentes Kleid eröffnet wilde Assoziationen an die nächtlichen Erlebnisse mit Jupiter, aus denen Herakles hervorgehen wird.

Triviale und zotige Anspielungen dominieren Hartmanns Inszenierung. Die Doppelung des Eifersuchtsmotivs der Hahnreikomödie, die Frage nach der Einbildung – „dem Gesicht der Liebe“ – sowie Kleists Thema der Identitätskrise verschwinden hinter vordergründiger Komik.

Auch das Versmaß wird unentschieden „überspielt“, und so mancher Dialog wirkt wie eine Parodie auf die Liebe. Volker Hintermeier hat einen weißen Kobel auf die Bühne des Akademietheaters gestellt, der eine Art Burgturm andeutet, auf dem ein schlichtes @ leuchtet; ein @ für Amphitryons Haus, oder ist es doch die handschriftliche Verschmelzung der Buchstaben „a“ und „d“ im Sinne von: zu etwas Neuem hin? Zur Erkenntnis und Infragestellung des Ichs? Nein, in dieser Inszenierung gewiss nicht: Die Komödie endet mit einem modernen Deus ex machina, der als grell leuchtender Buchstabe j aus dem Schnürboden kommt.

Gottvater Jupiter bestimmt, Alkmene fügt sich. Ach!

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