Bei Hartmann ist alles "Boutique"

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Premiere von Shakespeares Stück "Was ihr wollt" am Burgtheater unter der Regie von Matthias Hartmann. Dank Maria Happel und Nicholas Ofczarek trotz einiger Schwächen sehenswert.

Akkurat Fritz Kortners Interpretation von "Twelfth Night oder Was Ihr wollt" zitiert der bekannte deutsche Theaterkritiker Peter Iden am Beginn seines neuesten Buches "Der verbrannte Schmetterling" als Beispiel höchster Regieleistung - und genau diese fehlt in der aktuellen Wiener Burg-Produktion, die in erster Linie das herausragende Ensemble trägt.

Das komische Kleeblatt - Nicholas Ofczarek als Sir Toby, Michael Maertens als sein vermeintlicher Freund Sir Andrew und Maria Happel in der Dienerinnenrolle Maria - brilliert, Sven-Eric Bechtolf gibt den melancholischen Narr Feste (sein Name verweist auf das Weihnachtsfest), der zwei Herren dient, und Joachim Meyerhoff als totalitär regieren wollender Haushofmeister Malvolio kann seinen komischen Seiten endlich wieder freien Lauf lassen. Im Zusammenspiel dieser Virtuosen findet Shakespeares manchmal subtiler, dann wieder derber Sprachwitz zu seiner vollen Entfaltung, alle anderen mühen sich ein wenig durch das Stück, dessen Komik sich an der Tragik der Verwirrungen erst entwickelt.

Zu wenig Melodramatik

Und genau hier zeigt sich Hartmanns Shakespeare-Zugang als unzulänglich. Sein Witz ist Kalkül, durchsichtig und ohne doppelten Boden. Die verwirrenden Beziehungen sind zusätzlich aufgesetzt, so bilden etwa Oliver Masucci als rettender Antonio und Simon Kirsch als Sebastian ein unglaubwürdiges Homo-Gespann (was auch gar keinen Sinn macht), und Dörte Lyssewskis erotisches, lächerlich-leidenschaftliches Interesse an Katharina Lorenz als Cesario/Viola bleibt nicht im mindesten nachvollziehbar. Kostümbildnerin Tina Kloempken steckt das Zwillingspaar Lorenz und Kirsch in dunkelblaue Bermuda-Shorts und Kniestrümpfe, die jedoch alles andere als jene Androgynität betonen, die "Was ihr wollt" im Wesentlichen ausmacht.

Mit Shakespeares Geschlechterverdrehungen und Identitätsinstabilitäten weiß Hartmann nichts anzufangen und so fehlt dieser Inszenierung das Maß an Melodramatik, welches genau jenen Bruch ausmacht, der "großem Theater" seinen Schliff gibt.

Oberflächliche Inszenierung

Bei Hartmann hingegen ist alles "Boutique": chic, leicht, bunt und lustig kommen bei ihm die Doppelgängerverwirrungen als Illusionen des Zauberlandes Illyrien daher, welches als gülden glitzerndes Weihnachtspackerl mehr verspricht, als es halten kann. Diese vereinfachte Zugangsweise unterstreicht das als Illyrien-Reiseführer gestaltete Programmheft; es verdeutlicht aber zugleich die Linie der Inszenierung, oberflächlich auf der Scherz-Ebene den Liebes- und Verwechslungständeleien zu begegnen. Weh- und Übermut, die in der "Twelfth Night" alle Kopf stehen und aus dem Ruder laufen lassen, vermitteln Karsten Riedels Melodien, die er live am Klavier oder auf der Gitarre spielt.

Hartmanns Illyrien vereint die Zeiten, sodass Fabian Krüger historisch gewandet die Karikatur des Herzogs Orsino gibt, Dörte Lyssewksi den Trauerschleier gegen halterlose Strümpfe tauscht, die sie zwanglos vor der Dienerschaft überstreift, während die Lichter des dröhnenden Hubschraubers nach dem halbstarken Antonio Ausschau halten.

Hartmann findet in seiner "Was ihr wollt"-Inszenierung zu keiner Form. Und auch sein Bühnenbildner Stéphane Laimé (der gerade erst Ende November Jan Bosses "Was ihr wollt"-Inszenierung am Hamburger Thalia Theater ausgestattet hat) zeigt in Wien nichts anderes als verspielte Rosenblütenkulissen oder das trügerische Gemälde einer schönen Frauengestalt. Ja, der verwirrte Mensch liebt um der Liebe willen, etwa Orsino zuerst Olivia und dann Viola in der Gestalt des Cesario. Das Objekt der Begierde ist austauschbar, nur der Rahmen muss stimmen, den Laimé konkret als Guckkastenbühne nachstellt.

Und dennoch ist diese Inszenierung sehenswert, denn Happel und Ofczarek zeigen Schauspielkunst erster Klasse: Die beiden finden nicht nur für Shakespeares doppelzüngige Dialoge den perfekten Ton, sondern behaupten auch körperlich ihre jeweilige Figur derart glaubwürdig, dass sie kaum wiederzuerkennen sind.

"Ich bin gegen Inhalte"

Stets und scheinbar beiläufig ein Cognacglas schwenkend, gibt Ofczarek den spiegeltrinkenden, aristokratisch vertrottelten Sir Toby, der bemüht ist, die (mehr oder weniger starke) Trunkenheit hochnäsig zu überspielen. Doch ist Ofczarek mehr als der vergnügungssüchtige Partykerl und lässt als einziger die vielen Dimensionen des Stückes durchblitzen, indem er für Momente auch die habgierigen und maßlosen Seiten Sir Tobys mitspielt. Neben ihm besteht auch Meyerhoff als Sekretär von größter Kleinlichkeit. Der Schabernack, den Toby und Maria mit dem Spielverderber Malvolio treiben, endet in einer beklemmenden (und viel zu langen) Verlies-Szene, die mittels Videokamera übertragen wird und eine sonderbar unpassende Atmosphäre vermittelt.

Und dann ist da noch Michael Maertens als infantiler Sir Andrew, dessen Werbung um Olivia Orsinos romantische Liebesschwüre und Mavolios groteske Annäherungsversuche großartig kontrastiert. "Ich bin gegen Inhalte", stöhnt Maertens und hopst als kleiner Ritter durch Hartmanns Weihnachtsgeschichte für Erwachsene - schließlich wurde im England des 17. Jahrhunderts die "Twelfth Night" als Höhepunkt der Weihnachtstage gefeiert.

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