Einsame Liebende

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Mit der Neuübersetzung von Alfred Hayes' "In Love" wurde ein Stück amerikanische Literaturgeschichte der 1950er Jahre wieder entdeckt.

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Mit der Neuübersetzung von Alfred Hayes' "In Love" wurde ein Stück amerikanische Literaturgeschichte der 1950er Jahre wieder entdeckt.

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Über Alfred Hayes weiß man wenig. 1911 in London geboren, kam er mit seinen Eltern als Kind in die USA. Er begann seine publizistische Laufbahn als Reporter, schrieb den von unter anderem Joan Baez interpretierten Folksongklassiker "Joe Hill", arbeitete in Italien mit Roberto Rosselini und Vittorio De Sica, ehe Hollywood ihn entdeckte und er unter anderem Drehbücher für Fred Zinnemann schrieb. Parallel dazu verfasste er in den 1950er-Jahren mehrere Romane, die so verloren einherkommen, als würden sie die Geschichten zu den Bildern Edward Hoppers erzählen. Später, als sich seine literarischen Spuren, die nicht zu dem passten, was die aufkommenden Updikes, Roths oder Mailers boten, verloren, verdiente sich Hayes sein Geld als Schreiber für bekannte TV-Serien wie "Mannix".

Der Erzählrahmen, eine Skizze

"In Love", 1953 zuerst erschienen, spielt in New York City, irgendwann nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Der schmale Roman liefert bewusst kaum Anhaltspunkte, mit denen er sich in ein präzises historisch-soziologisches Umfeld betten ließe. Nein, Alfred Hayes will die immerwährende und so oft variierte Geschichte jener erzählen, die von der Liebe viel, ja, zu viel erwarten, mit deren Wechselfällen nicht umzugehen wissen und zuletzt auf einen Scherbenhaufen blicken, dessen Verursacher nicht zu bestimmen sind.

Ein Mann, Ende dreißig, sitzt in einer Bar und erzählt einer Zufallsbekanntschaft von einem Verlust, vom Unglück, das ihn "wie eine Wolke umhüllt". Das ist der Rahmen, den Hayes ohne viel Aufwand skizziert, der Rahmen, den sein Erzähler rasch mit Inhalt füllt. In einem Taxi lernte er - ein umtriebiger, im Hotel lebender Schriftsteller -eine schöne junge Frau kennen, die, obschon erst Mitte zwanzig, bereits manchen Schlag zu verdauen hatte. Eine früh geschlossene Ehe scheiterte; ein Kind, die fünfjährige Tochter Barbara, lebt inzwischen bei ihren Eltern, während sie in einem stets unaufgeräumten Apartment ihre Melancholie pflegt.

Illusion von Geborgenheit

Ist es Liebe, was sie verbindet? Darüber scheinen sich beide nicht im Klaren zu sein: "Ich wusste, dass sie bei mir etwas suchte, was ich ihr nicht geben konnte: die Illusion von Sicherheit und Geborgenheit."

Das fragile Gerüst ihrer Beziehung gerät ins Wanken, als sie in einem Club ein unmoralisches Angebot erhält: Der schwerreiche Textilunternehmer Howard bietet für eine Liebesnacht eintausend Dollar. Die Umworbene weist das Ansinnen entrüstet zurück, und doch ist dem Leser sofort klar, dass ihre Standfestigkeit nicht von Dauer sein wird. Sie geht auf Howards Avancen nach und nach ein, lernt ihn, der auf eine ganze zwei Tage währende Kurzehe zurückblickt, immer besser kennen, findet Gefallen am ihr gebotenen Luxus und gibt, um sich Howard anzuschließen, ihrem alten Geliebten den Laufpass.

Alfred Hayes' "In Love" erzählt mit knappen Beschreibungen, kurzen Dialogen und vielen Reflexionen von einem Liebesleid, das man zu kennen meint. Eifersucht, Besessenheit, Verzweiflung, Selbstmitleid, Zudringlichkeit - alle Register werden gezogen, zumal sich die junge Frau, ohne mit offenen Karten zu spielen, dem Verstoßenen, ihrem "Lückenbüßer", plötzlich wieder zuwendet und beide einen heillos deprimierenden Ausflug an die Küste von Jersey unternehmen. Sie landen in einem trostlosen Hotel in Atlantic City und erkennen über Nacht, dass es einen Neuanfang nicht geben wird.

"Last der Melancholie"

Hayes' Roman lässt offen, was von den drei Protagonisten zu halten ist. Sie stehen alle auf unsicherem Boden, sind schwankend in ihren Gefühlen und werden mit der "Last ihrer Melancholie" nicht fertig. Was passiert, ist nicht zu steuern, und mit dem, was passiert, vermag keiner umzugehen: "Es war wie in einem schlechten Film, wenn so etwas im Film überhaupt noch vorkam. Aber vor allem war es wie in einem schlechten Leben."

Und am Ende? Da landen wir wieder, ein paar Stunden später, in jener Hotelbar und hören dem Erzähler zu, der ein Gedicht des Renaissance-Dichters George Herbert zitiert. "Love (3)" heißt es, und seine erste Strophe dient dem Roman auch als Motto. Es beginnt im Original mit den Versen "Love bade me welcome: yet my soul drew back". Dem folgte die erste deutsche Übersetzung, die 1956 bei Rowohlt unter dem Titel "Liebe lud mich ein ..." erschien. Die Chancen, dass Matthias Fienborks Neuübersetzung Alfred Hayes' Roman aus dem Orkus des Vergessens rettet, sind groß. Ja, es wäre eine Schande, wenn "In Love" nicht in den Kanon der amerikanischen Nachkriegsliteratur zurückkehrte. "Ein kleines Meisterwerk" hat Elizabeth Bowen ihn genannt. Wie recht sie hatte.

In Love

Roman von Alfred Hayes Aus dem Englischen von Matthias Fienbork Nagel & Kimche 2015. 144 S., geb., € 17,40

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